GEFEK

Jeder hat das Recht auf angemessenen ärztliche Versorgung



Jahresbericht 2014 

Nach fast 70 Jahren Frieden in Europa erscheint die Weltlage seit kurzem plötzlich auch für uns wieder bedrohlich. Berichte über den menschen-verachtenden Krieg des Assad-Regims in Syrien werden verdrängt durch noch schrecklichere Massaker der radikalen Milizen des IS im Irak und Boko Haram in Afrika, die Bombardierung Palästinas durch Israel und den Konflikt in der Ukraine.

Angesichts dieser Krisen beginnen wir uns zunehmend um unsere eigene Existenz zu sorgen. Müssen wir im Winter frieren, wenn die Gaslieferungen aus Russland ausbleiben?  Was tun mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsregionen, die sich binnen Jahresfrist verdoppelt hat? Dazu kommen hausgemachte Probleme wie die Frage der immer krasser werdenden ungleichen Einkommensverhältnisse, die bei uns inzwischen bei mehr als einem Viertel der Bevölkerung zu Verarmung geführt haben? Müssen wir uns da auch noch um soziale Missstände in anderen Teilen der Welt kümmern?

Die Antwort ist eindeutig ja, wie die Ebola-Epidemie in Westafrika mehr als deutlich aufzeigt: Die Seuche hat sich so schnell ausbreiten können, weil dieser Teil der Welt mehr als vernachlässigt wurde. Auf dem Gesundheitssektor herrscht dort noch finsteres Mittelalter. Die Kenntnis elementarster medizinischer Hygienemaßnahmen ist völlig unbekannt. Die Welt kümmert sich inzwischen zwar um die Eindämmung der Seuche. Dies geschieht aber nicht etwa aus Mitleid mit der betroffenen Bevölkerung, sondern aus der Angst heraus, Ebola könne sich auch in unseren reichen Nationen ausbreiten, wie wir das zuvor mit AIDS erlebt haben.

Die wachsende Bevölkerungsdichte verbunden mit starker Mobilität erlaubt es einfach nicht mehr, große Teile der Welt unterentwickelt links liegen zu lassen. Das rächt sich schnell, wie sich durch den Ausbruch bedrohlicher Seuchen, zunehmenden religiösen Fanatismus und wachsende Flüchtlingsströme dokumentieren lässt. Abschotten der Grenzen hilft nicht. Nur die Stabilisierung unterentwickelter Regionen kann die Lage verbessern. Investitionen in Erziehung, Gesundheit und allgemeine Infrastruktur wie Straßenbau und Versorgung mit sauberem Wasser sind nötig, dazu Hilfe beim Aufbau landwirtschaftlicher und industrieller Produktionsstätten. Zur Finanzierung dieser Investitionen müssen wir vielleicht unsere eigenen Ansprüche etwas reduzieren. Wir könnten aber auch den Mut aufbringen, unser Marktsystem zu ändern, das heute zur Konzentration des Geldes in den Händen weniger Konzerne bzw. ihrer superreichen Manager geführt hat. Dieses Geld fehlt nicht nur bei unserer werktätigen Bevölkerung im Niedriglohn-Sektor, sondern insbesondere auch in den

armen Regionen der Welt, deren Arbeitskraft und Bodenschätze wir hemmungslos ausbeuten. An einem T-Shirt, das wir für 10 Euro kaufen, verdient die Näherin in Bangladesch gerade einmal 5 Cent. Jede Tasse Kaffee, die wir trinken, basiert auf Hungerlöhnen. Lediglich bei Fair-Trade-Kaffee wird garantiert, dass die Plantagenarbeiter wenigstens das Existenzminimum von 2-3 Dollar pro Tag verdienen. Die Differenz der Einkommensverhältnissen zwischen den Entwicklungsländern und den Industrienationen hat sich in den letzten 50 Jahren verzehnfacht.

Wir bekommen die Konsequenzen der ungebremsten Wirtschaftsliberalisierung bereits zu spüren: Es gärt im Bodensatz der Menschheit. Wenn den Ärmsten der Armen nichts bleibt als ihr nacktes Leben, ist dieses Leben nicht mehr viel wert. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zu religiösem Fanatismus und Aufruhr, denn es gibt nichts mehr zu verlieren.

Wir haben bei allen Einsätzen in armen Ländern immer wieder die Erfahrung gemacht, dass der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung friedliebend, entgegenkommend und hilfsbereit ist. Auch bei uns sind die Menschen überwiegend friedfertig und hilfsbereit. Von ihrer Hilfsbereitschaft leben viele Hilfsorganisationen, die weltweit die schlimmsten Katastrophen abfedern helfen. Jeder dritte Deutsche spendet jährlich mindestens einmal Geld für humanitäre Zwecke. Viele Hilfsorganisationen arbeiten in der Regel vor Ort mit der Bevölkerung zusammen und achten darauf, dass die Spendengelder möglichst nützlich eingesetzt werden. Demgegenüber wirkt staatlich organisierte „Entwicklungshilfe“ in Form von Nahrungs- und Kleiderspenden nach Meinung vieler Kritiker eher zerstörerisch auf die heimischen Märkte, und direkte Geldzuwendungen verschwinden häufig in den Taschen korrupter Politiker.

Verbesserungen in den armen Ländern kommen aber nicht durch theoretische Betrachtungen, sondern nur durch aktiven Einsatz zustande. Der Ansatz von GEFEK besteht darin, einen Beitrag zur Verbesserung der lokalen Gesundheitssysteme zu leisten. Dies betrifft insbesondere Anleitung zur eigenständigen Herstellung von Diagnoseverfahren für wichtige Infektionskrankheiten, die eine der Hauptursachen für Krankheit und Tod in diesen Ländern darstellen. Genaue Diagnose ist unentbehrlich für die gezielte medikamentöse Bekämpfung von Krankheitserregern. Leider sind kommerzielle Diagnoseverfahren oft unerschwinglich teuer, oder sie sind für den Einsatz unter den gegebenen Bedingungen nicht verwendbar.

Wichtigstes Ziel von GEFEK ist die Entwicklung neuer Methoden zur einfachen und preiswerten Diagnose von verbreiteten Infektionskrankheiten und die Vermittlung des entsprechenden Know- Hows an Wissenschaftler in den betroffenen Ländern. Wir haben vor einiger Zeit ein neues Diagnoseverfahren zum Nachweis der Chagaskrankheit entwickelt und es seither immer besser an die lokalen Verhältnisse in Süd- und Mittelamerika angepasst. An der Chagaskrankheit leiden dort mehr als 10 Millionen Menschen. Erreger der Krankheit ist der Parasit Trypanosoma cruzi, der durch blutsaugende Raubwanzen übertragen wird. Die Krankheit führt nicht selten zum Tod durch Herzversagen. Mehr als 10 Prozent der Todesfälle in Bolivien sind nach Schätzung der Ärzte ohne Grenzen auf die Infektion mit diesem Parasiten zurückzuführen. Alle betroffenen Länder Lateinamerikas beschränken sich bisher aber nur auf die Bekämpfung der Raubwanzen, die aktive Suche nach Patienten wird aus Kostengründen nicht betrieben.

Die Krankheit verläuft in den ersten Jahren nach der Infektion unbemerkt, erst nach ca. 10 Jahren treten klinische Symptome auf. Medikamente helfen aber nur in der frühen Phase, bei fortgeschrittener Krankheit sind sie unwirksam. Zur Ausrottung der Seuche müssten daher in jedem Land in jährlichem Abstand mehrere Millionen Menschen untersucht werden, um neu infizierte und somit noch heilbare Patienten aufzufinden.

Unser neues Diagnoseverfahren ist nachweislich der bisher empfindlichste Test. Es benötigt nur  einen  Tropfen  Blut  und  kann  im  Feld  ohne  Hilfsmittel  in  kurzer  Zeit  von  wenig geschultem Personal durchgeführt werden. Das Ergebnis ist mit dem bloßen Auge abzulesen, die Herstellungskosten liegen unter 10 Cent pro Tests.

Wie bereits im letzten Jahr berichtet, war es uns bisher nicht möglich, die bolivianischen Gesundheitsbehörden von der Notwendigkeit und dem volkswirtschaftlichen Nutzen einer allgemeinen Bekämpfung der Chagaskrankheit durch frühzeitige Diagnose und Therapie zu überzeugen. Es ist uns aber gelungen, ein auf Diagnose spezialisiertes Labor an der Universidád Mayor de San Andrés in La Paz dazu zu bringen, entsprechende Teststreifen selbst herzustellen und qualifizierten Ärzten im Land zunächst kostenlos zur Verfügung zu stellen. Sie können den Test dann parallel zu kommerziellen Nachweisverfahren heranziehen. In den Ländern Südamerikas muss ein positiver Befund für die Chagaskrankheit ohnehin mit einem zweiten Verfahren nachgeprüft werden, denn viele der eingesetzten Tests können fälschlicherweise zu positiven Ergebnissen führen. Wenn sich diese Ärzte selbst überzeugt haben, dass unser Verfahren trotz des geringen Preises gut ist, wird sich das bald herumsprechen.

Zur Herstellung diagnostischer Teststreifen wie wir sie anbieten verwendet die Industrie Automaten, die für etwa 200.000 Euro erhältlich sind. Das ist für bolivianische Verhältnisse unerschwinglich. Wir haben daher einen vereinfachten Prototyp eines solchen Automaten entwickelt, der die Herstellung mehrerer Tausend Teststreifen durch eine Person innerhalb von 2-3 Tagen erlaubt. Die Materialkosten für unseren Automaten belaufen sich auf etwas mehr als 200 Euro, und er kann in einer feinmechanischen Werkstatt mit wenig Aufwand hergestellt werden. Wir werden den Prototyp im kommenden Frühjahr zum Nachbau nach Bolivien bringen.

Als weiteres Projekt wurde an der Entwicklung eines einfachen immunologischen Nachweises von Rotaviren in Stuhlproben gearbeitet. Rotavirusinfektionen sind in allen Entwicklungsländer die wichtigste Ursache für tödlich verlaufende Durchfälle bei Kleinkindern. Wie berichtet, hatten wir die Arbeit schon im Vorjahr begonnen, die ersten Tests verliefen jedoch negativ. Nach monatelangen zähen Versuchsreihen im Labor gelang es im Oktober dieses Jahres endlich, das für den Test nötige Virusprotein in einer nachweislich „naturidentischen“ Form herzustellen. In den vorangegangenen negativ verlaufenden Tests hatte sich das rekombinant hergestellte Protein in falscher Weise gefaltet und wurde deshalb immunologisch nicht erkannt. Gegenwärtig wird ein Antiserum gegen das richtig gefaltete Protein hergestellt, das hoffentlich in wenigen Monaten zu positiven Testergebnissen führen wird.

Zur Diagnose vieler Krankheiten, insbesondere viraler Infektionen werden in zunehmendem Maß molekulare Methoden eingesetzt. Für weltweit verbreitete Seuchen wie AIDS, Hepatitis C, aber auch für das Ebolavirus sind dies die einzigen zuverlässigen Nachweismöglichkeiten. Hinzu kommt, dass auf diese Weise auch hervorragend zwischen verschiedenen Varianten klassischer Krankheiten wie den Erregern der Tuberkulose oder multiresistenten Formen von Staphylococcus aureus (MRSA) differenziert werden kann. Um diesen neuen Markt zu bedienen, wurden Verbesserungen insbesondere des Enzyms Reverse Transkriptase entwickelt, die die Handhabung dieser anspruchsvollen Technologie sehr erleichtern. Fortgeschrittene Labors in Bolivien und in der Mongolei benutzen trotz extrem hoher Preise bevorzugt diese neuen Formen des Enzyms, weil sie damit wesentlich einfacher zu exakten Resultaten kommen. Die verbesserten Eigenschaften des Enzyms kommen durch einige Veränderungen in der genetischen Blaupause zustande und sind mit etwas detektivischem Spürsinn in der Literatur aufzufinden.  Es war  für uns  daher  Anfang  des Jahres nicht sehr

schwierig, das Enzym in seiner optimalen und gleichzeitig auch sehr einfach aufzureinigenden Form herzustellen. Diese neue hitzeresistente Form der Reversen Transkriptase wird inzwischen in der Mongolei in Eigenregie hergestellt, nach Bolivien wird das Enzym im nächsten Frühjahr gelangen. Auch in Äthiopien könnte es vielleicht bald zum Einsatz kommen. Seit wenigen Monaten haben wir eine Kooperation mit diesem afrikanischen Land. In Anbetracht von AIDS und Ebola wird das Enzym dort sicher am wichtigsten benötigt. Ob sich im Hinblick auf die kaum entwickelte medizinische Infrastruktur des Landes molekulare Diagnose etablieren lassen wird, bleibt allerdings abzuwarten.

In der Bilanz war das Jahr für GEFEK zufriedenstellend. Die sich im Vorjahr angebahnte Kooperation mit der Mongolei hat sich verfestigt. Wir konnten beim Aufbau eines auf molekulare Diagnoseverfahren spezialisierten Labors mitwirken. Das Labor produziert die von uns entwickelten Enzyme Taq Polymerase und Reverse Transkriptase und versorgt inzwischen mehrere Kliniken in der Hauptstadt Ulanbator mit Testkits für eine Reihe von verbreiteten Infektionskrankheiten für einen Bruchteil des Preises, den die entsprechenden Diagnostika auf dem freien Markt kosten. Auf diese Weise können viel mehr Krankheiten rechtzeitig diagnostiziert und therapiert werden. Bisher wurden solche Krankheiten oft erst an ihren Spätfolgen erkannt, wenn schon irreparable Schäden aufgetreten waren (unter anderem Syphilis und andere Geschlechtskrankheiten, Hepatitis C). Im Gegenzug haben wir von diesem Labor einige Methoden erlernt, die die Handhabung molekularer Diagnoseverfahren praktikabel für weniger gut ausgestattete medizinische Einrichtungen machen.

Für die Fortsetzung der Kooperation mit Bolivien wurde viel Vorarbeit geleistet. Der oben erwähnte Automat zur Herstellung von Teststreifen für die Chagaskrankheit wurde entwickelt, daneben ein neues Verfahren zur Diagnose von Rotavirusinfektionen. Letzteres hat leider wesentlich mehr Zeit benötigt, als veranschlagt war. Daher wurde die für den Herbst geplante Reise auf das kommende Frühjahr verschoben. Die neu entwickelte temperatur-resistente Form der Reversen Transkriptase war ursprünglich für den Einsatz in Bolivien gedacht, wird aber bereits jetzt schon erfolgreich in der Mongolei und möglicherweise auch bald in Äthiopien eingesetzt.


Zwischenbericht Juli 2014 

Die „Gesellschaft für eigenständige Krank-heitsbekämpfung in Entwicklungsländern e. V.“ (GEFEK) besteht jetzt seit 9 Jahren. Die Arbeit war - und ist noch immer - durchaus erfolgreich, auch wenn wir keine „spektakulären“ Erfolge zu vermelden haben. Spektakulär ist, was die Medien der Öffentlichkeit als aufsehenserregend berichten. Unser Projekt, armen Ländern Anleitungen zur Selbsthilfe in verschie-denen medizinischen Belangen zu liefern, interessiert weit weniger als sportliche Hochleistungen, Kriege, Katstrophen oder Klatsch aus Königshäusern. 

Unsere Arbeit verläuft auch deshalb eher im Stillen, weil sie für viele Menschen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist. Für uns ist ein Besuch beim Arzt eine gnormale Angelegenheit. Aber was bei uns den Normalfall darstellt, ist in vielen Ländern der Erde nicht selbstverständlich. Das Aufsuchen eines Arztes ist für große Teile der Weltbevölkerung schlicht zu teuer. Bei 500 US Dollar Jahreseinkommen kann ein Arztbesuch leicht einen Monatsverdienst übersteigen. Dazu kommen die Kosten für Diagnose und Medikamente. Die Folge davon ist, dass arme Menschen in der Regel erst dann einen Arzt aufsuchen, wenn schwere klinische Symptome auftreten. Dann aber ist es oft zu spät, um noch Chancen auf Heilung zu haben. 

In Entwicklungsländern sind mangels ausreichender hygienischer Verhältnisse Infektionen mit Viren, Bakterien oder Parasiten häufig Ursache von Krankheit. Gegen nahezu alle Infektionskrankheiten gibt es zwar wirksame Medikamente, die, rechtzeitig angewandt, zur Heilung führen. Wenn die Krankheit aber nicht früh genug erkannt wird, helfen selbst die besten Medikamente nicht. So sterben z.B. jährlich Millionen Menschen an der Malaria, weil die Infektion zu spät erkannt wurde. Unbehandelte Wurmerkrankungen verhindern bei mehreren hundert Millionen Kinder weltweit die körperliche und geistige Entwicklung, weil die Würmer die ohnehin knappen essentiellen Nährstoffe wegfressen. Und in Bolivien stirbt jeder zehnte Mensch an den Folgen einer nicht erkannten Infektion mit Typanosoma cruzi, dem Erreger der Chagas-Krankheit. 

Die Diagnose von Infektionskrankheiten ist in der Regel teuer. In Deutschland kostet der Nachweis einer Virusinfektion wie Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV (Auslöser von AIDS)  mehrere hundert Euro. Diese hohen Preise verhindern in armen Ländern die Früherkennung von Erkrankungen und sind sind damit ein wesentlicher Grund für deren weite Verbreitung. Unser Ansatz besteht darin, Wege aufzuzeigen, wie die Diagnose in armen Ländern in eigener Regie mit geringstem Aufwand selbst durchgeführt werden kann. Wir vermitteln dabei Methoden, die auf dem neuesten Stand der Wissenschaft beruhen. Die erwähnte Diagnose von Hepatitis-Erkrankungen ist nur deshalb so teuer, weil die Krankheitserreger mit molekularen Methoden nachgewiesen werden. Sie setzt zwar ein wenig Fachkenntnis voraus, kann aber mit wenig apparativem Aufwand und geringen Kosten durchgeführt werden. Die hohen Preise werden dadurch gerechtfertigt, dass diese Art der Diagnose die beste ist, und das Beste ist eben stets am teuersten. 

Wir helfen Ärzten und Wissenschaftlern im Ausland, moderne Diagnosemethoden auf die lokalen Bedingungen anpzuassen. Meist ist ihnen die prinzipielle Vorgehensweise vertraut, und oft ist auch schon die notwendige technische Ausrüstung vorhanden. Was fehlt, ist die Kenntnis, wie sie die Diagnose unter den limitierten finanziellen Bedingungen durchführen können. 

Zur Durchführung molekularer Diagnose bedarf es z. B. zweier Enzyme, die sehr teuer sind. Wir haben daher Methoden entwickelt, diese Enzyme (Taq DNA Polymerase und Reverse Transkriptase) mit einfachen Mitteln und wenig Zeitaufwand rein herzustellen. In der Mongolei können mit Hilfe dieser Enzyme bereits in einigen Krankenhäusern molekulare Diagnoseverfahren routinemäßig durchgeführt werden. Zur Vereinfachung der Diagnose können wir zudem sämtliche Komponenten für die Reaktion als Mischung in stabiler Form vorgeben, so dass nur noch die Patientenprobe zugesetzt werden muss. Das erspart nicht nur Arbeit, sondern schränkt auch Fehler auf ein Minimum ein. 

Auch moderne immunologische Diagnoseverfahren werden durch uns vermittelt. Zum Nachweis der Chagas-Krankheit, haben wir einen immunologischen Schnelltest entwickelt, der mit wenig Aufwand herzustellen ist. Es bedarf dazu einer Maschine, die eine von uns schon früher entwickelte Testsubstanz gleichmäßig auf eine lange Membran aufträgt. Solch eine Maschine ist kommerziell für ca. 200.000 Euro erhältlich, kann aber in vereinfachter Ausführung für weniger als 300 Euro im Eigenbau hergestellt werden. Wir haben einen Prototyp zum Nachbau entwickelt. Auf diese Weise können Teststreifen in großer Zahl für wenige Cents produziert werden. 

Alleine in Bolivien müssten jährlich 3-4 Millionen Menschen untersucht werden, was beim Preis der kommerziellen Tests nicht zu finanzieren ist. Die Chagas-Krankheit muss so früh wie möglich erkannt werden, um eine Heilung zu erzielen. Wenn die Infektion länger unerkannt bleibt, ist dies meist nicht mehr möglich. Noch müssen die Ärzte von der Qualität unseres Schnelltests überzeugt werden – sie benutzen bisher die zehn- bis fünfzigmal teureren kommerziellen Tests – und anschließend müssen die Gesundheitsbehörden überzeugt werden, dass die Diagnose regelmäßig für die gesamte Bevölkerung in Risikogebieten anzuwenden ist. Das mag Jahre dauern, aber zumindest ist die Idee der Machbarkeit dieses Vorhabens in die Köpfe einiger führender Wissenschaftler in Bolivien eingedrungen. Es liegt an ihnen, künftige Generationen vor der Chagas-Krankheit zu bewahren. Wir können nur Hilfestellung leisten und Wege aufzeigen, wie dies unter den gegebenen Umständen realisiert werden kann, Hilfe zu Selbsthilfe eben. 

Weiterhin wurde ein neues Verfahren zur Herstellung eines Oberflächenproteins des Rotavirus entwickelt. Das Protein wird benötigt, um mit einem einfachen Test die Anwesenheit von Rotaviren in Stuhlproben nachzuweisen. Wir hatten mit diesem Projekt schon vor einiger Zeit begonnen, aber der erste Anlauf verliefe unbefriedigend. Wir haben jetzt eine Alternative entwickelt, die wir im Herbst in Bolivien testen wollen. 

Die von uns entwickelten Methoden können natürlich nur in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Ärzten im Ausland realisiert werden. Ohne klare Kenntnisse der Möglichkeiten im Land sind unsere Ideen nur begrenzt nützlich. Für die Arbeit vor Ort bedarf es nicht nur der Landessprache, sondern auch der Kenntnis der Mentalität und der Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung. Nach unserer Erfahrung können ohne lokale Ansprechpartner neue Methoden zur Verbesserung der Gesundheitssituation nicht vermittelt werden. Je länger die Kooperationen bestehen, desto besser läuft der Informationsfluss. Zunächst musste Vertrauen aufgebaut werden welches sich inzwischen zu Freundschaft entwickelt hat. Durch unsere Arbeit haben wir inzwischen mehr Freunde im Ausland, als zu Hause. Diese Freundschaften geben uns viel der Energie, die wir zur Fortsetzung unserer Arbeit benötigen.


Ältere Jahresberichte: 

GEFEK-Jahresbericht 2013 

In einer Zeit, in der viele unserer mittlerweile in die Jahre gekommenen Freunde unter Herbstdepressionen leiden, erleben wir eher eine „Herbsteuphorie“. Nicht nur deshalb, weil unsere Projekte in Bolivien in diesem Jahr sehr zufriedenstellend verliefen, sondern auch, weil sich erfolgsversprechende neue Ziele ergaben, an deren Durchsetzung uns schon immer sehr gelegen war. Wie schon früher berichtet, braucht es viel Geduld, um in Entwicklungsländern Fortschritte zu erzielen. Verbreitete Volkskrankheiten gehören dort einfach zur Tradition, und das Leben gestaltet sich meist nicht so prickelnd, dass man unbedingt 100 Jahre alt werden möchte. Die Tatsache, dass 13 Prozent der Bevölkerung an der Chagaskrankheit sterben, wird von den meisten Bolivianern genauso kommentarlos hingenommen, wie bei uns das Ausspionieren unserer elektronischen Kommunikation durch den amerikanischen Geheimdienst. Dabei sind die Bolivianer in keiner Weise willenslose, unterdrückte Untertanen, wie u. a. am Beispiel einer geplanten Verbindungsstraße zwischen Hochland und Tiefland zu erkennen ist: Das Projekt sorgt seit Jahren für Kritik an der Regierung und für massive Auseinandersetzungen innerhalb der Bevölkerung. Oder der Versuch, vor zwölf Jahren in Cochabamba die Wasserversorgung zu privatisieren. Der Protest der Bevölkerung führte zu einem monatelangen Generalstreik, in dessen Folge die Regierung zum Abdanken und und der Privatunternehmer zum Rückzug gezwungen wurden. 

Wie man auf ein dringendes Problem aufmerksam macht, so dass eine Resonanz unter den Betroffenen erfolgt, ist ein äußerst vielschichtiges Problem. Ein Erfolg ist kaum vorhersagbar. Bezüglich der Motivierung von Bevölkerungsschichten ist die Industrie weit versierter als gutmeinende Mediziner und Naturwissenschaftler, die die Lebensbedingungen verbessern wollen. Die Firma Apple brachte es z. B. zuwege, nahezu 1 Milliarde Menschen dazu zu bewegen, eigentlich überflüssige elektronische Geräte, die sich durch ein „i“ im Namen auszeichnen, zu überteuerten Preisen zu kaufen. Auch in Bolivien besitzt wenigstens einer von zehn Jugendlichen ein i-Phone für mehrere hundert Dollar, obgleich ein Nokia-Handy für 10 Dollar das offensichtlich als Urtrieb angelegte Mitteilungsbedürfnis in derselben Weise befriedigen könnte. Keiner dieser Jugendlichen schert sich jedoch darum, dass er sein Leben möglicherweise um mehrere Jahrzehnte verlängern könnte, wenn er sich regelmäßig auf eine Infektion mit der Chagaskrankheit untersuchen lassen würde.

Wir haben das von uns entwickelte Diagnoseverfahren für die Chagaskrankheit jahrelang wie saures Bier in verschiedenen Ländern Südamerikas angeboten, sind aber nirgendwo außer in zwei Fällen zu inakzeptablen Bedingungen auf Gehör gestoßen. In Anbetracht dieser Frustration haben wir das Projekt schließlich einer mittelständischen deutschen Pharmafirma kostenlos zur Produktion angeboten. Wir haben indess nie aufgehört, die Technologie zur Herstellung dieses Tests weiterhin in der Form von Seminaren und Praktika an universitären Einrichtungen vorzuführen.

Die betroffenen Länder beschränken sich bisher auf die Reduzierung der Überträgerwanzen durch den Einsatz von Insektiziden oder durch den Bau besserer Unterkünfte für die Bevölkerung. Dies führte in den letzten 10 Jahren immerhin zur Halbierung der Infektionsrate, aber auf diesem Stand stagniert sie nun, da die Raubwanzen überall in der Natur vorkommen und schnell wieder in die Häuser zurückkehren. Zum zweiten notwendigen Schritt für die Bekämpfung der Krankheit, der aktiven diagnostischen Untersuchung und gegebenenfalls therapeutischen Versorgung der Menschen konnte sich noch kein Land entschließen. Bisher wird die Krankheit in der Regel erst erkannt, wenn die Patienten beim Arzt wegen Herzproblemen vorsprechen. Dies gilt aber nur für diejenigen, die sich einen Kardiologen leisten können, was höchstens für 5-10 Prozent der Bevölkerung zutrifft. Diese offiziell registrierten Fälle - einige Tausend pro Jahr in Bolivien - bilden aber nur die Spitze eines Eisbergs. Nach Einschätzung der Ärzte ohne Grenzen und inzwischen auch nationaler Experten sind in diesem Land nahezu 2 Millionen Menschen infiziert. Durch die Chagaskrankheit bedingte Todesfälle sind nicht leicht zu erkennen, und die Ärzte attestieren in der Regel normales Herzversagen als Ursache. Das Durchschnittsalter in Bolivien lag 2011 bei 22,5 Jahren, das in Deutschland bei 44,9 Jahren. Natürlich tragen auch andere Faktoren wie Unterernährung, andere Krankheiten und mangelnde ärztliche Versorgung zu dieser verkürzten Lebenszeit bei, aber die Chagaskrankheit hat daran einen erheblichen Anteil.

 

  • Die Chagas-Krankheit ist eine vor allem in Mittel- und Südamerika vorkommende Infektions-krankheit. Auslöser ist der einzellige Parasit Trypanosoma cruzi, der nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Wild- und Haustieren zu finden ist. Verantwortlich für die Übertragung der Chagas-Krankheit sind vor allem Raubwanzen, die sich von menschlichem und tierischem Blut ernähren. Gegenwärtig sind trotz intensiver Bekämpfung der Raubwanzen ca. 10 Millionen Menschen infiziert.

  • An der Eintrittsstelle der Erreger tritt in seltenen Fällen eine lokale Reaktion auf (sog. Chagom); dann folgt die ein- bis zweiwöchige akute Phase, die mit grippeähnlichen Symptomen verbunden ist und daher meist mit einer Grippe verwechselt wird. In der anschließenden oft viele Jahre dauernden Latenzphase der Krankheit sind die Betroffenen beschwerdefrei.

  • Das folgende chronische Stadium führt bei ca. 30 Prozent der Patienten zu Herzbeschwerden. Andere Formen der Erkrankung wirken sich auf Darm, Ösophagus, Darm oder Gehirn aus. Etwa ein Drittel der chronisch infizierten Menschen stirbt an den Folgen der Krankheit, oft schon im Alter von 30-40 Jahren.

  • Zur Therapie der Chagas-Krankheit ist es wichtig, so schnell wie möglich geeignete Medikamente zu verabreichen. Je früher dies geschieht, desto besser: In der akuten Phase gelingt es fast immer, die Krankheit zu heilen. Je länger die Chagas-Krankheit schon besteht, desto weniger wirken jedoch die verfügbaren Medikamente. Als aussichtsreich gilt eine Behandlung bis hin zum 15. Lebensjahr (die Infektion erfolgt zumeist in der frühen Jugend), im späten chronischen Stadium zwingen heftige Nebeneffekte der Medikamente oft zum Abbruch einer Therapie.

 

Wir schlagen daher vor, die gesamte Bevölkerung, oder wenigstens alle Kinder und Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr in Risikogebieten regelmäßig (einmal im Jahr) zu untersuchen und gegebenenfalls mit Medikamenten zu versorgen. Unter Verwendung des von uns entwickelten Diagnoseverfahrens ist dies für ein Land wie Bolivien absolut erschwinglich, denn die Herstellungskosten für einen Test liegen bei weniger als 10 Cent. Eines der beiden für die Therapie verfügbaren Medikamente (Nifurtimox) wird gegenwärtig kostenlos von der WHO zur Verfügung gestellt, das Herstellungsverfahren für das andere Medikament (Benznidazol) wurde dem Land Brasilien von der Firma Hoffman-La Roche kostenlos abgetreten.

Bei unserem Besuch in La Paz im September/Oktober dieses Jahres hat sich jetzt endlich doch eine realistische Möglichkeit eröffnet, das Diagnoseverfahren im Land einzuführen. In einem Seminar über die Chagaskrankheit haben wir vorgerechnet, dass die Herstellung eines im Feld einsetzbaren Diagnoseverfahrens für eine Millionen Menschen gerade einmal soviel kosten würde (hunderttausend Dollar), wie die Räder des vor Kurzem für den Präsidenten angeschafften Düsenfliegers (Kosten 200 Millionen Dollar). Selbst wenn jährlich 3 Millionen Diagnosen durchgeführt werden müssen und die notwendigen Medikamente in so großem Maßstab nicht mehr kostenlos zur Verfügung gestellt werden könnten (mögliche Kosten 20-50 Millionen Dollar/Jahr), würde das durch die Heilung bzw. Nichterkrankung der Menschen gewonnene zusätzliche Bruttoinlandsprodukt (mehr als 50 Millionen Dollar) allemal die Kosten der Krankheitsbekämpfung decken. In jedem Fall würde der konzentrierte Einsatz der Chagas-Bekämpfung das Ansehen der Regierung enorm anheben und viel Leidensdruck von der Bevölkerung nehmen. Das arme Bolivien wäre Vorreiter in einer wichtigen Kampagne für ganz Südamerika und könnte zusätzlich auf internationale Hilfe hoffen.

Diesen Argumenten konnte die Leiterin des Instituts für Molekularbiologie an der Universidád Mayor de San Andrés in La Paz nicht widerstehen, und sie beschloss, die Herstellung des Tests in einem ihren Laboratorien zu installieren. Sie will im ersten Jahr das Verfahren zunächst validieren, d. h. mit mehreren kommerziellen Methoden vergleichen. Das Ergebnis kennen wir bereits von unserer deutschen Firma: Unser Test ist empfindlicher und spezifischer als alle anderen kommerziellen Verfahren, aber das soll ruhig vor Ort nochmals bestätigt werden. Im zweiten Jahr wird das Verfahren vielen Ärzten im Land kostenlos zur Verfügung gestellt. Auch sie werden den Vergleich mit anderen Tests durchführen. Ab dem dritten Jahr wird eine Gebühr für den Test erhoben, welche die Herstellungskosten abdecken soll, aber weit unter dem Preis kommerzieller Diagnostika liegen wird. In der Zwischenzeit kann die Regierung bearbeitet werden, um sie von der Wichtigkeit einer umfassenden Bekämpfung der Chagaskrankheit zu überzeugen. Die Regierung ist medizinischem Fortschritt durchaus zugewandt. Sie hat vor zwei Jahren der Einführung der (teuren) Rotavirus-Schluckimpfung für alle Neugeborenen im Land zugestimmt und will in den nächsten Jahren viel Geld für biomedizinische Forschung ausgeben. Der Neubau von mehreren entspreched ausgestatten Instituten ist in Planung.

Wir haben daher im Moment alle Hände voll zu tun, das Herstellungsverfahren für den feldtauglichen Chagas-Test nach Möglickeit zu vereinfachen. Es handelt sich um einen Teststreifen (Chagas-Schnelltest), der nur einen Tropfen Blut benötigt und ohne teure Hilfsmittel durch wenig geschultes Personal durchgeführt werden kann. Das Ergebnis ist innerhalb von 10 Minuten mit dem bloßen Auge abzulesen.  

Der Chagas-Schnelltest ist aber nicht das einzige positive Ereignis, über das zu berichten gilt. Wir haben in La Paz auch ein neues molekulares Verfahren zur Typisierung von Rotaviren eingeführt, das deutlich empfindlicher und spezifischer ist als bisher verfügbare Tests. Rotaviren sind gerade in den großen Städten Boliviens immer noch die wichtigste Ursache für Todesfälle unter Kleinkindern. Trotz der allgemeinen und für die Eltern kostenlosen Impfung gegen diese Durchfallserreger sind Erkrankungen häufig, zum einen, weil der Impfschutz nicht greift, wenn die stillende Mutter selbst infiziert ist – der Lebendimpfstoff wird dann durch die in der Muttermilch enthaltenen Antikörper schnell inaktiviert - andererseits, wenn neue Virus-Varianten auftreten, gegen die der Impfstoff nicht wirkt. Letzteres wird durch den Typisierungstest regelmäßig überprüft und bedingt bei Häufung neuer Varianten eine entsprechende Anpassung des Impfstoffs. Auch die eigenständige Herstellung der für die Durchführung molekularer Tests notwendigen Enzyme Reverse Transkriptase und Taq-DNA-Polymerase wurde zum wiederholten Mal eingeübt. Wir hatten zwischenzeitlich die Reinigungverfahren vereinfacht, aber sie sind noch immer nicht völlig „fool proof“ für biochemische Laien.

Die geplante neue Kooperation mit der Mongolei nimmt konkrete Formen an. Dort wurde zwischenzeitlich von einem früheren Doktoranden der Universität Gießen ein Labor zur molekularen Diagnose häufiger Infektionkrankheiten (Hepatitis A, B und C, Brucellose, Geschlechtskrankheiten, Infektionen des Respirations- und Verdauungstrakts, Menigitiden) eingerichtet. Wir hatten bereits vor zehn Jahren zur Gründung eines solchen Labors an der Nationalen Medizinischen Universität in Ulaanbaatar beigetragen. Leider musste dieses Labor wegen Erkrankung des Laborleiters nach einiger Zeit wieder geschlossen werden. Zum Glück ist der größte Teil der damaligen Ausrüstung mit Geräten erhalten geblieben und kann jetzt wieder verwendet werden. Wir sind durch nahezu wöchentliche Emails in stetem Kontakt und werden im Mai nächsten Jahres dort einen Besuch abstatten. Die eigenständige Herstellung der für die Durchführung der Tests notwendigen Enzyme (s. o.) ist bereits etabliert, und momentan bemühen wir uns um eine finanzielle Unterstützung durch die mongolische Regierung, die bereits Interesse an der Einführung neuer biomedizinischer Methoden signalisiert hat. Einige unserer für Südamerika entwickelten diagnostischen Tests, z. B. für Rotaviren, können auch in der Mongolei Verwendung finden.

Es ist daher klar, dass wir trotz kalter und vernebelter Novembertage in Heuchelheim keinen Grund zum Trübsalblasen haben. Wir stecken über die Ohren in der Arbeit zur Vorbereitung der neuen Projekte. Das beschert uns das nötige Quäntchen Lebensfreude, um die Arbeit weiterzuführen. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass im Gegensatz zu unserer konsumorientierten Gesellschaft die Armut in Bolivien in den letzten Jahren sichtbar abgenommen hat, während sie bei uns zunimmt, wenn auch auf einem völlig anderen Niveau. Das geht sicher nicht auf unser Konto, aber wir können zu diesem Prozess zumindest im positiven Sinn beitragen. Das hebt das Selbstwertgefühl.

Ich wünsche allen Mitgliedern und Freunden eine schöne Vorweihnachtszeit und bedanke mich bei allen Spendern, die bereits zur Finanzierung unserer Projekte beigetragen haben. Alle anderen bitte ich, uns nicht zu vergessen. Wir kommen als kleine Organisation mit sehr wenig Geld aus, aber jeder Euro hilft, Menschenleben zu retten. Nicht unmittelbar, das machen andere große Hilfsoranisationen sehr effektiv. Dafür hat unsere Hilfe zur Selbsthilfe in den von uns betreuten Ländern aber eine enorme Nachhaltigkeit.
 

GEFEK-Zwischenbericht Juli 2013

Unser Verein besteht bereits seit 2004 und kommt langsam „in die Jahre“. Die anfängliche Euphorie, dass Entwicklungsländer danach hungern, unsere für sie doch so hilfreichen Ideen aufzunehmen, ist inzwischen einer differenzierteren Betrachtungsweise gewichen. Nicht alles, was wir auf dem Gesundheitssektor für wichtig erachten, wird in den Ländern ebenso gesehen. Es gibt dort eben noch Wichtigeres und Vordringlicheres. Dennoch können wir hilfreiche Beiträge leisten, wenn wir die Voraussetzungen im Land besser kennengelernt haben und die Mentalität der Entscheidungsträger berücksichtigen. Beispielsweise  unterscheidet sich unsere Vorgehensweise zur Lösung von Problemen von der dortigen Mentalität. Wir sind dazu erzogen, für ein erkanntes Problem zielstrebig und mit aller verfügbaren Energie eine Lösung zu suchen. „Effizienz“ gilt als eine deutsche Tugend, und wir werden häufig im Ausland dafür bewundert – aber auch belächelt. Das Leben hat viele Aspekte, Gesundheit ist nur einer davon. Und den Begriff „schnell“ kennt man bei der Bekämpfung von aktuellen Notständen in aller Regel nicht. Die meisten Notstände gibt es schon lange, sie gehören zur Tradition des Landes, und man hat sich mit ihnen abgefunden. Wir müssen akzeptieren, dass unsere Beiträge bestenfalls als Anregungen aufgefasst werden.  Am ehesten werden wir akzeptiert, wenn wir dort eingreifen, wo unsere Kooperationspartner bestimmte Probleme schon selbst erkannt haben und an Lösungsversuchen arbeiten.

Der Stolz auf die eigene Leistung als Nation ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium. Das gilt nicht nur in Wissenschaft und Technik, sondern z.B. auch in der Politik. Che Guevara ist vor einem halben Jahrhundert gescheitert, eine sozialistische Revolution in Bolivien anzustoßen, obwohl die Bolivianer schon seit Jahrhunderten immer mal wieder Befreiungskämpfe gegen äußere und innere Ausbeuter geführt haben. Selbst unter den vielen Diktaturen des Landes gab es gelegentlich welche, bei denen eine gerechtere Verteilung von Eigentum angestrebt wurde. Pech für Che war, dass er kurz nach der Abwahl einer gescheiterten Regierung mit sozialistischer Prägung ins Land kam. Die Leute hatten gerade die Nase voll von Sozialismus, und statt auf Überläufer traf er auf Denunzianten, die ihn an die Armee verrieten. So sehr er nach seinem Tod auch verehrt wurde, er war eben zur falschen Zeit am falschen Ort.

GEFEK liegt sicher nicht ganz verkehrt mit seinen Bemühungen, Kenntnisse moderner medizinischer Technologie in das Land zu transferieren, aber Ort und Zeit müssen stimmen. Wir können zwar Technologie an die reduzierten ökonomischen Bedingungen anpassen und exemplarisch vorführen, ob diese Methoden aber übernommen werden, muss den Leuten vor Ort selbst überlassen werden. Dafür braucht es Geduld.

Auf großes Interesse stießen wir am ehesten mit Methoden, die allgemein angewandt werden können, wie z.B. die Herstellung von Schlüsselenzymen, die für den molekularen Nachweis einer Vielzahl von Krankheiten benötigt werden. Zu diesen Enzymen gehören hauptsächlich eine thermostabile DNA-Polymerase (Taq Polymerase) und Reverse Transkriptase (RT). Diese Enzyme sind teuer und limitieren in vielen armen Ländern die im Prinzip nicht sehr komplizierte Anwendung molekularer Diagnoseverfahren. Ein von uns entwickeltes rekombinantes Bakterium zur einfachen Herstellung der Taq Polymerase wird seit einigen Jahren erfolgreich in La Paz verwendet. Wie im Jahresbericht 2012 beschrieben, haben wir im Herbst des letzten Jahres auch eine einfache Methode zur Reinigung einer rekombinanten RT etabliert, die u.a. in Bolivien im nationalen Referenzlabor für die weit verbreiteten Rotavirus-Infektionen benötigt wird. Die Herstellung des Enzyms in La Paz hat im vergangenen Herbst im Prinzip funktioniert. Es stellte sich allerdings heraus, dass das Enzym dort nicht dieselbe hohe Aktivität aufwies, wie zuvor im Labor in Heuchelheim. Dieses Problem haben wir im Anfang dieses Jahres untersucht und festgestellt, dass zwei Faktoren bei der Reinigung kritisch sind und zukünftig beachtet werden müssen. Zum Einen stellte sich heraus, dass der Klon genetisch nicht sehr stabil ist. Bei der Passage der Bakterien treten Mutanten auf, die das Enzym schwächer exprimieren. Da das Enzym für die Bakterien offensichtlich leicht toxisch ist, können schwächer exprimierenden Mutanten schnell die gesamte Kultur überwachsen. Dies kann leicht vermieden werden, wenn man die Kolonie, die zur Herstellung einer größeren Kultur verwendet werden soll, zunächst auf RT-Aktivität testet. Dazu genügt das Rohlysat aus einer 1 ml Kultur. Zum Anderen war die nach Bolivien mitgenommene Charge der für die Reinigung notwendigen Heparin-Sepharose nicht mehr in Ordnung und zeigte nur noch eine geringe Bindungskapazität für das Enzym. Wir konnten zwischenzeitlich auch das Aufbrechen der rekombinanten Zellen verbessern, so dass die RT jetzt mit der dreifachen Menge im Überstand zu finden ist. Beim diesjährigen Besuch in Bolivien werden wir die verbesserte Version der Reinigung des Enzyms zu installieren versuchen.

Für den Nachweis schwererer Rotavirus-Infektionen entwickeln wir gerade einen Schnelltest. Leichte Rotavirus-Infektionen treten in Bolivien häufig auf und müssen in der Regel nicht behandelt werden. Dagegen sind schwere Infektionen mit einer großen Menge an Viren im Stuhl für Kleinkinder oft lebensbedrohlich. Einfache molekulare Tests, die mit Hilfe der Enzyme RT und Taq Polymerase durchgeführt werden können, unterscheiden nicht zwischen leichter und schwerer Infektion. Schwere Infektionen können dagegen durch einen immunologischen Test erfasst werden, der darauf beruht, das virale Hüllprotein VP6 mit Hilfe eines spezifischen Antikörpers in Stuhlproben nachzuweisen. Bei leichten Infektionen spricht dieser Test nicht an. Der kommerziell erhältliche Test ist allerdings sehr teuer und kommt daher in Bolivien wenig zum Einsatz.  Der hohe Preis für den Test erklärt sich hauptsächlich aus dem Umstand, dass die Präparation von reinem VP6 zur Herstellung der entsprechenden Antikörper extrem aufwendig ist. Wie schon berichtet, ist es uns im letzten Jahr erstmalig gelungen, rekombinantes VP6 in nativer Form und in großer Menge herzustellen. Die native Form ist wichtig, denn nur das korrekt gefaltete Protein lagert sich zu größeren Aggregaten zusammen (Trimere und höhere organisierte Multimere), wie sie in der Virushülle vorkommen und als solche immunologisch erfasst werden müssen. Wir haben das rekombinante VP6 dazu benutzt, eine größere Menge spezifischen Immunserums herzustellen um damit einen Schnelltest zu entwickeln. Er beruht darauf, dass auf einem Teststreifen fixiertes Immunserum bzw. daraus gereinigtes IgG das VP6 aus einer Stuhlprobe bindet, und diese Bindung anschließend mit einem Gold-konjugierten anti-VP6-Antikörper nachgewiesen wird.  Der Test funktioniert im Labor wie geplant, allerdings müssen die Stuhlproben vorher von groben Bestandteilen befreit werden. Wie spezifisch und empfindlich der Test tatsächlich ist, soll in diesem Herbst in La Paz getestet werden.

Weiterhin arbeiten wir noch an einem Test zur Typisierung verschiedener Stämme von Rotaviren, die in Bolivien und an vielen anderen Orten der Welt vorkommen. Für mehrere Serotypen des Virus hatten wir schon im letzten Jahr einen entsprechenden Test mit Hilfe von RT-PCR entwickelt. Versuche in La Paz in letzten Herbst ergaben, dass der Test noch verbessert werden kann. Zunächst muss er um zwei weitere Serotypen erweitert werden, die wir noch nicht berücksichtigt hatten. Darüber hinaus soll seine Empfindlichkeit gesteigerte werden, indem zunächst ein größerer Teil der zur Typisierung verwendeten Gene in einer ersten RT-PCR amplifiziert wird und diese DNA anschließend für eine Multiplex-PCR eingesetzt wird. Die zweistufige Amplifizierung der entsprechenden Genabschnitte ist notwendig, um eine ausreichende Empfindlichkeit des Tests zu erreichen. Das macht das Verfahren zwar etwas aufwendiger, allerdings gehen auch kommerzielle Anbieter solcher Tests so vor. Mit gereinigter Virus-RNA genügt eine einzige RT-PCR, aber für die oft nicht optimal gelagerten Stuhlproben ist in der Regel die zweistufige Amplifizierung nötig. Die Typisierung muss bei Weitem nicht mit jeder Stuhlprobe durchgeführt werden, ist aber von Zeit zu Zeit nötig, um das Entstehen von neuen Varianten des Virus zu kontrollieren, gegen die evtl. kein ausreichender Immunschutz in der Bevölkerung besteht.

Schließlich gibt es noch zu berichten, dass der (Wieder)Aufbau eines Labors zur Diagnose von wichtigen Infektionskrankheiten in der Mongolei vorankommt. Langjährige Vereinsmitglieder werden sich erinnern, dass wir bereits in den Jahren 2005 und 2006 nach Ulaanbaatar reisten, um dort in einem damals noch mit ausgemusterten Instrumenten der Justus Liebig Universität ausgestatteten Labor molekulare Diagnoseverfahren für verschiedene bakterielle Infektionen (u. a. mehrere Geschlechtskrankheiten, Brucellose) zu etablieren. Auch das Verfahren zur eigenständigen Herstellung der Taq Polymerase wurde damals eingeführt. Diese Einrichtung wurde nach einiger Zeit vorübergehend stillgelegt, um dem Leiter des Labors die Möglichkeit zur Durchführung einer Doktorarbeit an der JLU Gießen zu ermöglichen, die er nach drei Jahren auch mit sehr gutem Ergebnis abschloss. Leider erhielt er anschließend keine Position an der Health Sciences University of Mongolia und und konnte das Labor nicht weiterführen. Im Jahr 2012 hatte er in Singapur eine Stelle als Leiter eines Labors zur Entwicklung neuer Diagnostika inne, wo er hauptsächlich an Methoden zur molekularen Differenzierung der verschiedenen Hepatitis C Viren arbeitete.  

Anfang 2013 kehrte er zurück in der Mongolei, denn trotz guter Bezahlung war der Aufenthalt in dem tropischen Klima von Singapur für ihn und seine Familie nur schwer erträglich. Er will die Idee der Gründung eines Diagnoselabors wieder aufnehmen, denn dafür besteht nach wie vor ein großer Bedarf. Das einschlägige Know How hat er während seiner Doktorarbeit und seiner Arbeit in Singapur erworben. Mit dem zuletzt verdienten Geld hat er in China einige Laborgeräte gekauft, und wir haben ihn mit bakteriellen Stämmen, speziellen Chemikalien und den neuesten Protokollen zur Herstellung von Taq Polymerase und RT versorgt. Außerdem tauschten wir Ratschläge zur preiswerten technischen Ausstattung des Labors aus. Das neue Labor sollte spätestens bis Ende dieses Jahres funktionstüchtig sein, und wir freuen uns schon auf eine aktive Weiterführung der Kooperation. Eine Visite zur Absprache künftiger Arbeiten ist für das kommende Jahr eingeplant.  

 

GEFEK-Jahresbericht 2012

Bei uns in Deutschland lebt heute (2012) jeder sechste Mensch an oder unter der Armutsgrenze, Tendenz steigend (Quelle: cecu.de – Portal für Finanzen und Versicherungen). UN-Statistiken zeigen, dass weltweit ebenfalls ein Sechstel der Menschheit an oder unter der Armutsgrenze lebt. Allerdings unterscheiden sich die Bemessungsgrenzen: Bei uns lebt in Armut, wer als Einzelperson weniger als 940 Euro pro Monat zur Verfügung hat. In Entwicklungsländern liegt diese Grenze bei einem Dollar pro Tag. Außerdem verschleiert die UN-Statistik die Realität: In Ländern wie Bolivien lebt nicht ein Sechstel, sondern mehr als die Hälfe der Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag.

In Bolivien versucht GEFEK seit sechs Jahren einen Beitrag zur Verbesserung der Lage mit Schwerpunkt auf dem Gesundheitssektor zu leisten. Und es bewegt sich etwas in dem Land. Trotz der nicht zu übersehenden Armut ändern sich die gesellschaftlichen Verhältnisse allmählich zum Positiven. Während in Deutschland nach neuesten Erhebungen ein Drittel der jungen Leute nicht mehr daran glaubt, aus eigener Kraft aus ihren sozial schlechten Verhältnissen ausbrechen zu können, befindet sich die Mehrzahl der Bevölkerung Boliviens in einer Aufbruchstimmung. Hierbei spielt die innere Einstellung eine tragende Rolle: Vergleichbar mit der Aufbruchstimmung in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg wollen viele Menschen das Land verändern, und sie glauben, das sie dazu in der Lage sind. Wir veranstalten regelmäßig Seminare und pratische Kurse an der Universidad Mayor de San Andrés in La Paz und sehen den rapiden Fortschritt in wissenschaftlichen Disziplinen. Im Jahr 2007 gab es noch kaum eine ausreichende technische Ausstattung an dieser größten Universität von La Paz, und wir mussten die elementarsten Geräte aus Deutschland mitbringen. Heute sind die Labors mehr als ausreichend mit modernen Maschinen ausgerüstet. Dort werden jetzt begabte und hochmotivierte Studenten ausgebildet, die anschließend an europäischen Universitäten ihre Doktorarbeiten anfertigen. Die Doktorarbeit im Ausland ist leider noch immer Voraussetzung für eine akademische Karriere, weil der im eigenen Land erworbene Doktortitel nichts zählt (dieses Phänomen gibt es in vielen Entwicklungsländern). Keiner von diesen Doktoranden trägt sich mit dem Gedanken, im Ausland zu bleiben. Auch die meisten der 1,5 Millionen im Ausland lebenden Bolivianer ohne höhere Ausbildung bleiben dort nur, um mit dem Einkommen ihre Familien zu Hause zu unterstützen. Sie fühlen sich nicht wohl in der Fremde und möchten so bald wie möglich zurück.

In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden in unserem Labor in Heuchelheim wieder mehrere wichtige Voraussetzungen für die Diagnose von in Bolivien verbreiteten Infektionskrankheiten geschaffen. Der Schwerpunkt lag diesmal auf Rotaviren, die zusammen mit Noroviren zu den häufigsten Auslösern von Durchfällen bei Kindern unter fünf Jahren zählen. Im überbevölkerten La Paz ist die Situation besonders schlimm, dort erkranken jedes Jahr 60 % der Kleinkinder an diesen Viren, trotz der landesweit durchgeführten Schutzimpfungen. Die Schutzimpfung hilft oft nicht, weil die Mütter der Säuglinge selbst infiziert sind und große Mengen von Antikörpern gegen diese Viren mit der Milch abgeben. Dies führt zur Inaktivierung des oral verabreichten Lebendimpfstoffs. Der Vorschlag der Pharmaindustrie, in solchen Fällen statt Muttermilch Kunstmilch zu verwenden, hatte katastrophalen Folgen. Viele von uns werden sich noch an die negativen Auswirkungen der weltweit erfolgten Nestlé-Milch-Propaganda erinnern, die den Tod hunderdtausender Kleinkinder in Afrika zur Folge hatte. „Moderne“ Mütter verabreichten dieses Produkt aus Geldmangel so stark verdünnt, dass ihre Kinder schlicht verhungerten. Die Schutzimpfung gegen Rotaviren ist trotz der eingeschränkten Wirksamkeit in jedem Fall nützlich: Die Zahl der an Durchfällen sterbenden Kinder hat sich aufgrund der Impfaktionen halbiert.

Wir haben in Bolivien dazu beigetragen, dass die Diagnose der Rota- und Noroviren erleichtert bzw. deutlich billiger gemacht werden kann. Wir haben ein einfaches Reinigungsverfahren eines zum Nachweis dieser Viren essentiellen Enzyms, der Reversen Transkriptase, entwickelt und seine Herstellung im nationalen Referenzlabor für Rotavirusinfektionen in La Paz etabliert. Die Reinigung gelingt in einem Tag unter Verwendung einfachster Geräte. Die dabei gewonnene Menge an Enzym deckt den Jahresbedarf des Labors und erlaubt zugleich, weit mehr Analysen durchzuführen, als mit dem teuren kommerziellen Enzym möglich wären. Für das zweite Enzym, das für die molekularen Diagnose der Viren notwendig ist, die Taq-Polymerase, haben wir eine neue, verbesserte Darstellungsform entwickelt und die Produktion ebenfalls dort im Labor etabliert. Für Noroviren ist die molekulare Diagnose der einzige wirksame Test. Norovirus-Infektionen verlaufen harmloser als Rotavirusinfektionen und haben selten tödliche Folgen. Sie erinnern sich sicher an die durch Erdbeeren aus China ausgelöste Epidemie in Mittel- und Ostdeutschland im September dieses Jahres, bei der mehr als zehntausend Kinder in Kindergärten und Schulen erkrankten. Keines dieser Kinder starb.

In armen Ländern ist es extrem wichtig, zwischen Rotaviruen und Noroviren zu unterscheiden. Beide haben die gleichen klinischen Symptome, aber während Norovirus-Infektionen trotz heftiger Durchfälle in der Regel gut überstanden werden, können Rotavirus-Infektionen aufgrund der starken Dehydrierung der Kinder einen fatalen Ausgang nehmen. In schweren Verläufen muss daher ein Krankenhausbett und eine Möglichkeit zur Infusion von Flüssigkeit bereitgestellt werden. In Bolivien sind Co-Infektionen mit beiden Virusarten nicht selten, und dies kann man nur mittels molekularer Diagnose bestimmen.

Rotaviren bestehen nicht nur aus einer Art, sondern es treten – ähnlich wie bei Influenzaviren – große Zahlen von unterschiedlichen Varianten auf. Die bisherigen Impfstoffe sind gegen die wichtigsten z. Z. auftretenden Varianten gerichtet, aber die Viren verändern sich ständig. Um zu überwachen, ob die zirkulierenden Viren überhaupt noch von den Impfstoffen erfasst werden, müssen sie regelmäßig typisiert werden. Dies geschieht heute nahezu ausschließlich über molekulare Methoden, und auch hierfür haben wir Methoden entwickelt und im Herbst dieses Jahres in Bolivien erfolgreich getestet. Nach den Ergebnissen müssen unsere Tests zwar noch für einige weitere Varianten (Serotypen) erweitert werden – wir trafen mehr Varianten an, als erwartet – aber prinzipiell ist unser Ansatz nützlich, und hundertmal billiger als kommerzielle Tests. Für ein Referenzlabor ist so ein Test obligatorisch.

Wir haben diesen sog. RT-PCR-Test nicht nur ausprobiert, sondern ihn auch zum Thema eines praktischen Kurses mit Studenten und interessierten Wissenschaftlern gemacht. Besonderes Interesse bestand nicht so sehr in der praktischen Durchführung mit Stuhlproben lokaler Patienten, sondern vielmehr in der Vorführung der einzelnen Computerprogramme, die zum Design solcher molekularer Diagnoseverfahren herangezogen werden müssen. Die genetische Information nahezu sämtlicher Krankheitserreger ist heute für jedermann im Internet frei zugänglich. Aber man muß das Know-How besitzen, wie man mit dieser Information umzugehen hat. Dass diese Computerprogramme im Zentrum des Interesses der Kursteilnehmer stand, ist nicht nur ein Hoffnungsschimmer, sondern der Beweis dafür, dass die Leute aufgewacht sind und ihre Probleme mit eigenen Händen – und eigenem Gehirn – anzugehen bereit sind. Etwas Besseres kann man sich als Pädagoge kaum wünschen. Es zeigt klar auf, dass unser Ansatz, Hilfe zur Selbsthilfe, auf einen fruchtbaren Boden gefallen ist. Es ist sicher nicht allein unser Verdienst, aber wir haben mit unserer Arbeit in den letzten Jahren einen guten Beitrag dazu geleistet. Und es war wieder einmal anrührend zu erfahren, wie dankbar die Teilnehmer für die Unterweisung waren. Es wurde nicht nur gefeiert, sondern wir wurden mit Geschenken überhäuft wie an Weihnachten.

Für die generelle Diagnose von Rotaviren haben wir noch ein weiteres Eisen im Feuer. Da bei Weitem nicht alle medizinischen Einrichtungen in Bolivien die technische Ausrüstung und ein geeignetes Labor zur Durchführung molekularer Diagnoseverfahren zur Verfügung haben, versuchen wir auf Anregung des Zentrallabors in La Paz einen einfachen Teststreifen zum immunologischen Nachweis dieser Viren zu entwickeln. Das nötige Instrumentarium hatten wir bereits vor zwei Jahren bei der Entwicklung eines analogen Teststreifens zum Nachweis der Chagas-Krankheit erarbeitet. Kernvoraussetzung für den Test ist die Herstellung eines relativ konstanten Hüllproteins des Virus, VP6, gegen das zunächst spezifische Antikörper hergestellt werden müssen. Dieses Hüllprotein, das in nahezu allen kommerziellen immunologischen Tests zum Einsatz kommt, kann in der richtigen Struktur (sog. „native Konformation“)  bisher nur aus gereinigten Viren oder rekombinant in Zellkutur hergestellt werden. Beide Darstellungsformen sind ziemlich zeitaufwendig und teuer, und die entsprechenden Tests sind es natürlich auch.

Wir haben im Sommer dieses Jahres ein sehr viel einfachereres Darstellungsverfahren für  VP6 entwickelt und können das Protein in großen Mengen sehr rein und in nativer Konformation in Bakterien herstellen. Die Produktion entsprechender Antikörper ist bereits im Gang, und Anfang nächsten Jahres werden wir beginnen, den Teststreifen zu entwickeln. Alle neuen Testverfahren, die wir in diesem Jahr entwickelt haben, sind nicht nur in Bolivien, sondern weltweit einsetzbar. Rotaviren sind ein globales Problem, und was wir heute für Bolivien tun, können wir im nächsten Jahr in die Mongolei transferieren. Wir hatten dort schon vor einigen Jahren geholfen, ein Labor zur Diagnose von verschiedenen Infektionskrankheiten (u.a. Geschlechtskrankheiten, Brucellose, Tuberkulose, Durchfallerkrankungen, Lungenerkrankungen, Meningitiden) an der zentralen medizinischen Universität des Landes in Ulanbaataar aufzubauen. Der Leiter des Labors ging leider weg und hält sich z. Z. in Singapur auf, wo er eine gute Position als Entwicklungsleiter in einer auf Diagnostika spezialisierten Firma innehat. Als bodenständiger Mongole fühlt er sich bei dem tropischen Klima dort aber nicht wohl und will im September 2013 nach Ulanbaataar zurückkehren. Wir freuen uns auf die Weiterführung der begonnenen Arbeit. Sie ist dort mindestens ebenso notwendig wie in Bolivien.

GEFEK-Zwischenbericht Oktober 2012 

Bolivien ist das ärmste Land Südamerikas. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, der früher einmal als primäre Erwerbsquelle dienende Bergbau kommt immer mehr zum Erliegen. Die entlassenen Bergarbeiter, die „Mineros“, müssen, um  sich und ihre Familien irgendwie zu ernähren, z. B. im tropischen Tiefland kleine Parzellen bewirtschaften, wozu ihnen freilich die Erfahrung fehlt und sie daher häufig frustriert wieder aufgeben. Auch andere Möglichkeiten des Broterwerbs wie die Bekleidungsindustrie sind verschwunden, weil Firmen wie Adidas ihre Produktion nach Asien verlagert haben, denn dort können die Menschen für noch geringere Bezahlung ausgebeutet werden. Die Einführung der Demokratie nach Ende der langjährigen Diktaturen hat am Hunger und an der schlechten Gesundheitslage der meisten Menschen nicht viel geändert. Mit welchen Mitteln sollte die Regierung Programme für ausreichende Ernährung, Bildung und medizinische Versorgung finanzieren, wenn die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung so gut wie nichts verdient und keine Steuern bezahlen kann? Zum Vergleich: In Deutschland belaufen sich die Gesundheitskosten auf mehr als 3000 Euro jährlich pro Kopf. Wie sollen sich da die Bolivianer, deren mittleres pro-Kopf-Einkommen bei 800 Dollar im Jahr liegt, ausreichend medizinisch versorgen können? 

Trotzdem sollte man die zukünftige Entwicklung des Landes nicht zu trübe sehen, denn es gibt viele positive Aspekte: Das Hochland mit dem von 7000 Meter hohen Bergriesen umgebenen Titicacasee und dem größten Salzsee der Welt, dem Salar de Uyuni, und das Tiefland mit seinen riesigen weitgehend unberührten Urwäldern sind überwältigend, und es gibt zahlreiche historische Sehenswürdigkeiten aus der Zeit der Conquistadores, der Inka- und Prä-Inkazeit. Gegenwärtig überwiegen noch Backpacker, aber hier könnte auch Tourismus mit einem zahlungskräftigeren Publikum zu einer lukrativen Einnahmequelle werden. Und trotz jahrhundertelanger Ausbeutung, früher durch die Spanier und in der Neuzeit durch multinationale Konzerne, hat das Land noch wichtige Bodenschätze: Die Salzschicht auf den Salar de Uyuni besteht zu mehreren Prozent aus Lithium, welches in Zukunft in großen Mengen für Elektroautos benötigt werden wird. Die Bevölkerung, überwiegend indianischer Abstammung, ist gewohnt, hart zu arbeiten und ist erfinderisch, wenn es die Not verlangt. Bei einer nächtlichen Überlandfahrt blieb unser Reisebus nach einem Knall mitten auf der Stecke stehen, Getriebeschaden, eine Stunde nach Mitternacht und bei minus 10 Grad Celsius im Freien. Der Fahrer und sein Beifahrer krochen unter den Bus, schraubten zwei Stunden lang und brachten uns mit leichter Verspätung heil ans Ziel. Ich glaube nicht, dass das in Europa noch jemand kann!

Wir haben das gute Gefühl, dass in diesem Land unsere Bemühungen, durch Eigeninitiative zur Verbesserung der medizinischen Lage beizutragen, auf fruchtbaren Boden stößt. Wir tun dies nicht, wie viele andere Hilfsorganisationen, durch direkte ärztliche Betreuung, sondern wir versuchen, den einheimischen Gesundheitseinrichtungen zu zeigen, wie viele Probleme aus eigener Kraft gelöst werden können, ohne dafür riesige Summen für die Pharmaindustrie aufwenden zu müssen. Dies ist kein prinzipiell neuer Ansatz, denn auch in Deutschland werden in einigen Universitätskliniken große Summen eingespart, indem z.B. anstelle teurer kommerzieller Diagnoseverfahren selbst entwickelte und mindestens ebenso effiziente Methoden zum Einsatz kommen. 

Die bolivianische Bevölkerung leidet neben den auf mangelhafte oder falsche Ernährung zurückzuführenden Problemen hauptsächlich unter einer großen Zahl von Infektionskrankheiten, die zum Teil an durch die Geographie des Landes bedingt sind. Es treten Tropenkrankheiten wie Malaria und die Chagas-Krankheit auf, letztere betrifft fast ein Viertel der Bevölkerung. Für diese Krankheit haben wir in den letzten Jahren ein wirkungsvolles Diagnoseverfahren entwickelt. Die Umsetzung im Lande scheiterte allerdings daran, dass wir keinen Kooperationspartner fanden, der bereit gewesen wäre, das Verfahren zu einem günstigen Preis an die Verbraucher weiterzugeben. Jetzt wird der Diagnosetest von einer deutschen Firma hergestellt. Wir haben immerhin die Zusage, dass er zu einem sehr günstigen Preis abgegeben würde, falls in Lateinamerika eine große Nachfrage zustande käme.

Hier haben wir gelernt, dass nicht alles, was uns sinnvoll erscheint, auch von den betroffenen Ländern angenommen wird. Objektiv ist es so, dass bei flächendeckender Anwendung dieses Tests viele Menschenleben gerettet werden könnten. Subjektiv wird dies von der Bevölkerung aber nicht als vordringlich angesehen, weil die Chance, durch diese Krankheit in eine lebensbedrohliche Situation zu geraten, nur bei einem Drittel der Infizierten eintritt. Außerdem verläuft die Krankheit schleichend und weitgehend unbemerkt. Jeder hofft, dass er zu den zwei Dritteln der Glücklichen gehört, die keine Folgen der Infektion zu erwarten haben. Solange das Volk sich tagtäglich mit elementareren Problemen wie der Beschaffung von ausreichender Nahrung auseinandersetzen  muss, wird ein frühzeitiger Tod durch die Chagas-Krankheit als Schicksal hingenommen.

Ganz anders wird die Situation wahrgenommen, wenn plötzlich ein geliebtes Kind stirbt. Wie in anderen Entwicklungsländern, ist die Mortalitätsrate von Kindern unter 5 Jahren auch in Bolivien sehr hoch. Ursache hierfür sind häufig Infektionskrankheiten, die zum großen Teil auf mangelnder Hygiene bzw. auf dem Mangel an sauberem Trinkwasser beruhen. Dies führt u.a. zu zahlreiche Durchfallerkrankungen, die durch Bakterien und Viren ausgelöst werden, wobei besonders Infektionen mit Rotaviren bei Kleinkindern tödlich verlaufen können. Daher haben wir die Strategie unserer Vorgehensweise geändert: Wir suchen nicht mehre nach Lösungen für ein medizinisches Problem, das uns wichtig erscheint, sondern wir versuchen medizinische Ansätze zu unterstützen, die von der betroffenen Bevölkerung als dringend angesehen werden, und für die es vor Ort schon Gruppierungen gibt, die sich um die Lösung dieser Probleme bemühen.
Seit einiger Zeit kooperieren wir mit einem Labor an der Universidád Mayor de San Andrés in La Paz, dessen wissenschaftliche Ausrichtung sich auf Durchfallerreger konzentriert. Das Labor ist nationales Referenzlabor für Rotaviren.
Gegen Rotaviren gibt es seit einigen Jahren eine Schutzimpfung, und durch die in ganz Südamerika durchgeführten Impfaktionen konnte die Mortalität aufgrund von Durchfall deutlichgesenkt werden. Leider schützt der Impfstoff nur etwa die Hälfte der gefährdeten Kinder; die dem Säugling verabreichte Muttermilch enthält häufig schon so viele Antikörper gegen Rotaviren, dass der (Lebend)Impfstoff im Säugling inaktiviert wird. Daneben können Rotaviren ähnlich wie Influenzaviren ganz erheblich variieren. Durch die Impfaktionen werden neue Varianten selektioniert, die durch die Impfstoffe nicht erfasst werden. Daher ist es wichtig, neben dem Nachweis von Rotavirus als Ursache der Erkrankung auch die aktuellen Varianten der zirkulierenden Viren zu ermitteln, um festzustellen, ob die Impfstoffe eventuell neu angepasst werden müssen. 

Natürlich gibt es Methoden, mit denen verschiedene Rotavirus-Varianten charakterisiert werden können, sowohl serologisch mit Hilfe spezifischer Antikörper als auch durch die Ermittlung der Nukleotid-Sequenz der Gene für die viralen Hüllproteine VP4 und VP7. Aber beide Methoden sind aufwendig und durch das Land nicht zu finanzieren. Als preiswerte Alternative bietet sich die Charakterisierung dieser Gene durch Serotyp-spezifische PCR an. Es gibt eine Reihe einschlägiger Publikationen für dieses Vorgehen, und einige der dort beschriebenen Tests sind auch im Einsatz. Sie sind allerdings anhand der inzwischen in großer Zahl vorliegenden sequenzierten Gene (mehrere Tausend in Datenbanken) weitgehend überholt.

Wir haben in der ersten Hälfte dieses Jahres mehrere wichtige Voraussetzungen für eine aktuelle, Serotyp-spezifische Erfassung von Rotaviren durch PCR geschaffen, die eine eigenständige Typisierung in Bolivien mit geringen Kosten zulassen. Diese Voraussetzungen bestehen zum ersten in einer neu entwickelten einfachen Reinigungsmethode für rekombinante Reverse Transkriptase. Dieses Enzym wird benötigt, um das virale RNA-Genom in DNA zu überschreiben. Die Reinigung der darüber hinaus für die Tests notwendigen thermostabilen Taq-Polymerase haben wir schon in den Vorjahren erfolgreich in Bolivien eingeführt. 

Zweitens haben wir aktualisierte PCR-Tests geschaffen, mit denen man die Varianten der viralen Hüllproteine erfassen kann. Drittens haben wir einen molekularen Test entworfen, mit dessen Hilfe man Rotaviren prinzipiell erkennen und von anderen Erregern unterscheiden kann. Jeder zweite virale Durchfall wird in Bolivien nämlich durch Noroviren ausgelöst, für die wir, viertens, ebenfalls einen Test entwickelt haben.

Fünftens ist es gelungen – und darauf sind wir besonders stolz – das wenig variable innere Hüllprotein der Rotaviren, VP6, mit einfachen Mitteln in nahezu kristalliner Form rein darzustellen. Bisher konnte man dieses Protein nur für teures Geld direkt aus einer riesigen Menge von Viren oder in aufwendiger Gewebekultur erhalten. Die meisten kommerziellen Tests zum Nachweis einer Rotavirus-Infektion basieren auf einem Antiserum gegen dieses Protein. Mit unserem gereinigten VP6 wird bereits eine Ziege immunisiert und das Serum sollte im Dezember zur Verfügung stehen. 

In der Zwischenzeit führen wir eine Feldstudie in Bolivien durch, wobei die neuen Nachweisverfahren für das Rotavirus und seine Varianten und für das Norovirus  getestet werden sollen. Zugleich sollen die Herstellung der für die Durchführung der Tests notwendigen Enzyme Reverse Transcriptase und Taq DNA Polymerase im Labor in La Paz etabliert werden und schließlich soll auch noch ein einwöchiger Kurs über molekulare Methoden zur Diagnose von Infektionskrankheiten abgehalten werden. Wir freuen uns schon sehr auf die vielen extra für uns aufgehobenen Stuhlproben, die auf ihre molekulare Charakterisierung warten….  

Über den Erfolg der Mission werden wir nach der Rückkehr aus Bolivien berichten.
  

GEFEK-Jahresbericht 2011 

Dieses Jahr brachte eine Zäsur des bisherigen Vereinsgeschehens mit sich, die durch mehrere Faktoren bedingt ist. Ursprünglich war geplant, das neu entwickelte Diagnoseverfahren für die Chagas-Krankheit im Februar-März in einer staatlichen Gesundheitseinrichtung in Bolivien, dem INLASA in La Paz, zu etablieren. Dort wäre es dem nationalen Chagas-Bekämpfungsprogramm kostenlos zur Verfügung gestanden, zunächst während einer Probephase, um es parallel zu kommerziellen Tests einzusetzen. Bei Bewährung hätte es in Zukunft als Ersatz für die bisherigen kommerziellen Produkte dienen können. Die rechtliche Situation der Einführung des Verfahrens durch die staatliche Institution erschien klar und unproblematisch. Leider kam es aber schon Ende des Jahres 2010 zu einem so starken Zerwürfnis mit dem verantwortlichen Abteilungsleiter auf der bolivianischen Seite, dass eine zukünftige Kooperation unmöglich wurde. Die Etablierung des Verfahrens unter Umgehung des fraglichen Abteilungsleiters erschien unmöglich, was eine generelle Problematik des Gesundheitswesens in Entwicklungsländern beleuchtet: Wenn überhaupt, gibt es nur ganz wenige kompetente Ansprechpartner im Land, und man kann Projekte nur mit guten Beziehungen zu diesen Leuten durchsetzen. Von dem einzigen alternativen anerkannten Chagas-Fachmann in Bolivien hatten wir uns schon bald nach Beginn unserer Arbeiten getrennt. Beide Male scheiterte die Kooperation an dem extrem ausgeprägten Macho-Gehabe dieser Leute, die sich selbst als die absoluten Herrscher der Szene sehen und andere im besten Fall nur als Zulieferanten akzeptieren. Obwohl sie aus Mangel an Detailkenntnis ein Projekt nicht durchschauen können, sind sie zu keiner kollegialen Kooperation bereit. Machtstreben und Eitelkeit, nicht aber Weitsicht und Fachkompetenz sind leider oft charakteristisch für Führungskräfte in diesen Ländern.

Die Einführung des Diagnoseverfahrens in La Paz scheiterte allerdings auch aus einem anderen Grund. Ich war wegen einer Herzerkrankung einem Aufenthalt in 4000 Meter Höhe nicht gewachsen und musste mich Anfang Oktober einer Herzklappen-OP unterziehen, die ich zum Glück recht gut überstanden habe. Die Arbeit im Labor konnte ich bisher zwar noch nicht wiederaufnehmen, aber ich denke, Anfang 2012 sollte dies ohne Probleme möglich sein.

Außer der gesundheitlichen ergab sich für mich aber auch eine mentale Zäsur. Um die in das Chagas-Diagnoseprojekt investierte Arbeit nicht fruchtlos untergehen zu lassen, entschloss ich mich schweren Herzens, die Methode an ein Pharmaunternehmen abzutreten. Die Firma EUROIMMUN mit Stammsitz in Lübeck zeigte Interesse an der Vermarktung des Verfahrens. Die Firma ist spezialisiert auf die Herstellung von Diagnostika für viele Infektions- und Autoimmunerkrankungen und beschäftigt eine große Zahl von fachlich hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern. Sie verstanden das Potential der Methode sofort und sind jetzt dabei, das Verfahren nach ihren eigenen Kriterien zu überprüfen. Sie werden bei postivem Ausgang der Prüfung ein entsprechendes Testkit zwar auch nicht viel billiger auf den Markt bringen, als die internationale Konkurrenz. Man sicherte mir zu, dass im Falle einer großen Nachfrage der Preis für Lateinamerika deutlich sinken könnte. Dennoch zweifle ich noch immer, ob meine Entscheidung richtig war, denn Ziel unseres Vereins ist schließlich, die armen Länder durch Eigenherstellung von Substanzen aus der Abhängigkeit von der internationalen Pharmaindustrie zu befreien. Leider wird der Markt aber auch durch unkontrollierbare psychologische Komponenten beeinflusst: Die betroffenen Menschen in armen Ländern wollen oft keine billigen alternative Verfahren, sondern sind der Meinung, wenn etwas teuer ist, ist es gut und effektiv. 

Um künftig nicht wieder mit der Etablierung eines Diagnoseverfahrens auf solche Probleme zu stoßen, werden wir zukünftige Projekte eher als „Auftragsarbeit“ in Angriff nehmen, d.h. Verfahren entwickeln, für die wir bereits einen sicheren Abnehmer kennen. Eines dieser Projekte ist die Entwicklung eines billigen Verfahrens zum Nachweis von Rotaviren. Durch Rotaviren ausgelöste Durchfallerkrankungen können für Kleinkinder schnell tödlich verlaufen, insbesondere wenn die betroffenen Kinder unter Unterernährung leiden. Abnehmer des Tests wäre Frau Prof. Volga Iñigues an der Universidad de San Andrés, La Paz. Sie untersucht bakterielle und virale Durchfallerreger und ist Leiterin des nationalen Referenzlabors für Rotavirus-Infektionen. Sie wendet eigene molekularbiologische Diagnoseverfahren an, ist parallel dazu aber auch auf teure kommerzielle Diagnosekits angewiesen. Ich hatte schon versucht, ein billiges Diagnoseverfahren zu entwickeln, bin im ersten Anlauf aber gescheitert. Ich weiß inzwischen allerdings, was geändert werden muss, um zu einem Durchbruch zu kommen und werde dazu einige Monate Arbeit im Labor investieren. 

Wahrscheinlich ist es auch verfrüht, staatliche Institutionen in Bolivien mit speziellen Diagnoseverfahren zu konfrontieren. Die Probleme im öffentlichen Gesundheitswesen sind dort viel grundlegender. Für den überwiegenden Teil der Bevölkerung gibt es weder in sozialer noch in medizinischer Sicht die geringste Unterstützung. In den meisten Landesteilen fehlt es an einer ausreichenden Zahl von Gesundheitsposten und ausgebildetem Personal. Zusätzlich wirft der Staat engagierten jungen Leuten auch noch Knüppel zwischen die Beine: Studenten, die unter großen Entbehrungen in Kuba eine medizinische Ausbildung erhalten haben, müssen zunächst einmal mehr als 500 US Dollar Gebühren entrichten, um in Bolivien eine Genehmigung zur Ausübung ihres Berufs zu erhalten. Dies ist für viele der Absolventen unerschwinglich, und statt den Arztberuf auszuüben arbeiten sie z. B. als als Taxifahrer. Diese Regelung stammt noch aus der Zeit, in der der Arztberuf eine Lizenz zum Geldverdienen darstellte. Etablierte Ärzte behandeln nur zahlungsfähige Patienten. Lediglich 28 % der Bevölkerung ist im Besitz einer Krankenversicherung. Wer arm ist, und das betrifft zwei Drittel der Menschen in Bolivien, hat keinen Anspruch auf medizinische Versorgung.

Vielleicht ist unser zweiter bereits mehrfach durchgeführter Ansatz zur Selbsthilfe, die Veranstaltung biomedizinischer Kurse, fruchtbarer als der Versuch der Etablierung spezieller Diagnoseverfahren. Wir haben zuletzt im September 2010 in einem solchen Kurs demonstriert, wie man mit wenig Aufwand moderne Diagnostika herstellen kann. Die Teilnehmer waren wieder einmal begeistert, wenn ihre selbst hergestellten diagnostischen Tests tatsächlich funktionierten. Mit solchen Veranstaltungen kann man sicher die junge Generation motivieren, die Produktion einer Reihe von Substanzen langfristig selbst in die Hand zu nehmen, um nicht vollständig abhängig von überteuerten ausländischen Importen zu bleiben. Gerade für die große Zahl der sog.“negelcted diseases“ könnte sich dies als äußerst nützlich erweisen, denn diese Krankheiten sind stark mit Armut korreliert und stehen wegen mangelnder Rentabilität nicht im Fokus der Pharmaindustrie. Wir werden daher solche Kurse weiter entwickeln, um sie unter den uns inzwischen bekannten limitierten Verhältnissen noch besser durchführen zu können.

Leider haben die jüngeren, früher sehr aktiv an der Vereinsarbeit beteiligten Mitglieder inzwischen alle wegen beruflicher Zwänge weit weniger Zeit. Daraus ergeben sich Engpässe und neue Bedingungen für die künftige Arbeit. So werde ich künftig ohne Dolmetscher auskommen müssen und nutze die Zeit, in der ich mich körperlich noch schonen muss, zur Verbesserung meiner Spanischkenntnisse. Leider bin ich auch nicht in der Lage unsere hompage gefek.de zu reparieren, die irgendein böswilliger Mensch im Sommer abgeschossen hat. Diese homepage hat allerdings außer besorgten Anfragen von Touristen über die Gefahren einer Infektion mit der Chagas-Krankheit in den letzten Jahren kaum etwas eingebracht. Für interessierte Leute bleiben immer noch Emails und die gute alte Post. Die beste Reklame für den Verein waren bisher stets Zeitungsartikel und Mund-zu-Mund-Propaganda.

Auch viele der älteren Mitglieder sind zu sehr beruflich gebunden oder aus anderen Gründen nur noch ideell am Verein interessiert. Ein Mitglied haben wir durch Tod verloren. Wie ich kürzlich erst aus der Universitätszeitschrift erfahren musste, ist im Sommer unser Gründungsmitglied Prof. Gottfried Wagner verstorben. Er war immer ein sehr freundlicher und offener Kollege und hat sich stets sehr hilfreich gerade auch um ausländische Studenten bemüht. Er war erst vor wenigen Jahren pensioniert worden. Mit Sicherheit hatte er ein sehr erfülltes Leben.

Die gegenwärtig in den Medien hochgespielte weltweite Finanzkrise trägt nicht gerade zur Verbesserung der Verhältnisse in den Entwicklungsländern bei. Die Angst, unser Geld könnte an Wert verlieren, wirkt sich sehr negativ auf die Spendenfreudigkeit der Bevölkerung aus. Mehr als 90 % der tatsächlichen Entwicklungshilfe kommt von Hilfsorganisationen, die auf Spenden angewiesen sind. Unser Entwicklungsministerium hat sich leider zu einer Interessenvertretung des Außenhandels entwickelt und interessiert sich mehr für die Beschaffung von Rohstoffen aus diesen Ländern als für ihre soziale Weiterentwicklung. Die Besuche Nibels in Lateinamerika werden dort entsprechend kühl aufgenommen. Wen wundert dies auch, wenn die seiner Partei nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung sich aktiv für die Putschisten in Honduras einsetzt? Übrigens: Wer sich für eine weniger zensierte Berichterstattung aus Lateinamerika interessiert, als dies unsere Medien liefern, kann Informationen im Internet unter Portal amerika21.de finden. Lateinamerika ist ein Kontinent im Aufbruch. Es wird zwar noch mindestens eine Generation dauern, bis sich die sozialen Verhältnisse spürbar verbessern, aber es ist nicht zu befürchten, dass sich dort, selbst in Anbetracht des sich verwildernden Wirtschaftsliberalismus, wieder koloniale Verhältnisse einstellen werden. Natürlich passt das nicht in die kapitalistische Ausrichtung westlicher Regierungen, und die geistigen Anführer der lateinamerikanischen Befreiungsbewegung werden als Sozialisten oder gar Kommunisten verteufelt. Aber wie sagte schon Matthaeus ganz richtig: Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele? Eines haben uns die Südamerikaner jedenfalls voraus: Sie brauchen sich nicht vor dem Abdriften in die Armut zu fürchten, sie haben sie bereits.

Trotz nicht mehr zu leugnender altersbedingter Einschränkungen freue ich mich auf die weitere Kooperation mit Bolivien. Einen Vorteil bringt das Alter auch mit sich: Ich lerne, geduldig zu werden, auch mit mir. Ich bin niemandem verpflichtet, schon morgen ein Produkt abzuliefern, das ich nicht so schnell beischaffen kann. Aber ich kann meinen Studenten in Bolivien guten Gewissens sagen: Wenn ihr euch anstrengt, geht es euren Kindern einmal besser als euch selbst. So etwas kann ich meinen Medzinstudenten in Giessen nicht sagen. Sie würden mich verständnislos anschauen. Unsere Gesellschaft entwickelt sich immer mehr zu einer Ansammlung von Egozentrikern. Im Gegensatz dazu ist das Sozialverhalten in großen Teilen der lateinamerikanischen Bevölkerung noch intakt. Dies ist nicht nur im christlichen Sinn etwas Schönes, sondern auch Voraussetzung und Motor für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung. Vielleicht bedarf es einer gewissen Armut und der Hoffnung auf eine Besserung der Verhältnisse, um Menschen zu sozialem Verhalten zu bringen. Wie auch immer, es macht Freude etwas für Menschen in Südamerika zu tun, wofür ich in Deutschland nur belächelt werde. Möglicherweise werden die Latinos sich eines Tages so verhalten wie wir, wenn sie einmal reich genug sind. Aber das werde ich zum Glück wohl nicht mehr erleben…

 

GEFEK-Jahresbericht 2010

Die im vergangenen Jahr durchgeführten Aktivitäten in Bolivien wurden in wesentlichen Zügen bereits im Oktober letzten Jahres im „GEFEK-Zwischenbericht 2010“ beschrieben. Insofern ist dieser Zwischenbericht Bestandteil des Rechenschaftsberichts 2010. Bezüglich der Zielsetzung unseres Vereins, Menschen in Entwicklungsländern zu helfen, ihre Gesundheitsprobleme in Eigeninitiative in Angriff zu nehmen, kamen wir wieder einige Schritte voran, und die uns von bolivianischer Seite entgegengebrachte Anerkennung und Dankbarkeit bestärkt uns, in diesem Sinne weiterzumachen. Allerdings sind wir auch an Grenzen gestoßen, die wir in der Euphorie der früheren Jahre nicht wahrgenommen hatten – oder vielleicht nicht wahrnehmen wollten. Diese Erkenntnisse zwingen uns, die längerfristige Vorgehensweise zu modifizieren, d. h. sie den realen Verhältnissen besser anzupassen, um erfolgreich zu bleiben. 

Es gibt genügend Positives zu berichten. Die Labormethode zur Diagnose der Chagas- Krankheit („Chagas-ELISA“) wurde fertiggestellt und publiziert. Dies eröffnet die Möglichkeit der Produktion und Anwendung des Verfahrens zu niedrigen Kosten. Freilich müssen weitere größere Feldstudien durchgeführt werden, um die Methode bekannt zu machen und zukünftige Anwender von ihrer Nützlichkeit zu überzeugen. 

Die Entwicklung neuer Methoden zum Nachweis weiterer wichtiger Infektionskrankheiten (Leishmaniose und Rotaviren) wurde im Labor in Heuchelheim vorangetrieben. Prototypen der Methoden wurden im Spätsommer in Bolivien getestet. Es stellte sich heraus, dass beide noch verbessert werden müssen. Wie wir jetzt wissen, muss für die Rotavirus-Diagnose das rekombinante Virus-Oberflächenprotein statt in Bakterien in höheren Zellen produziert werden, was in Zusammenarbeit mit einer Gruppe an der Universität Gießen mit entsprechender Laboreinrichtung geschehen soll. Es werden nur geringe Mengen des Proteins zur Herstellung von Immunseren in Kaninchen oder Ziegen benötigt. 

Bei der Diagnose der Leishmaniose sind wir der Zeit etwas voraus: Wir können zwar den wichtigsten Erreger, Leishmania braziliensis, immunologisch von anderen Leishmania- Stämmen unterscheiden, aber es ist momentan noch nicht klar, ob das ausreicht. Wie bereits früher berichtet, haben wir Antigene zur spezifischen Diagnose von Leishmania braziliensis, dem Erreger der mucocutanen Leishmaniose hergestellt. Diese Form der Krankheit ist besonders gefürchtet, weil sie zu schrecklichen Entstellungen im Gesicht führen kann. Da die meisten Infektionen mit Leishmanien nur zu lokalen Hautwunden führen, die nach einiger Zeit spontan wieder abheilen und keiner Behandlung bedürfen, wäre es für die Betroffenen extrem wichtig zu wissen, ob sie durch eine harmlose oder durch die gefährliche Form des Erregers infiziert wurden. Auch die gefährliche Form fängt mit einer kleinen Hautwunde an, kann aber Monate oder Jahre später zu den schweren Schäden in Mund und Nase führen. Einige Autoren haben in der Vergangenheit beschrieben, dass die gefährliche mucocutane Form der Leishmaniose alternativ au kann. Es muss abgewartet werden, ob sich dies viel genaueren, aber eben auch sehr aufwendigen Bestimmungsverfahren für Leishmania Arten bestätigt, oder ob die alte beruhten. Wenn wir verängstigten Patienten mit einer für Leishmania braziliensis negativen Diagnose „Entwarnung“ signalisieren wollen, müssen wir zu 100 % sicher sein, nicht nur zu 90%. Bei positiver Diagnose müssen die Patienten in jedem Fall dauerhaft genau beobachtet und gegebenenfalls medikamentös behandelt werden. Die schwere Form der Krankheit nicht ausbrechen, tut es aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Die Therapie ist sehr schwer verträglich und teuer. Sie sollte daher nur in dringenden Fällen angewandt werden, allerding so früh wie möglich, vor dem Auftreten schwerer Symptome. An der exakten Charakterisierung der neuweltlichen Leishmania gegenwärtig mehrere renommierte internationale Forschergruppen mit relativ komplexen Methoden (u. a. PCR-RLFP, Microsatellit Polymorphismus), und endgültige Ergebnisse sollten bald vorliegen. Dann wird sich herausstellen, ob wir noch einen weiteren Erregerstamm bei d berücksichtigen müssen, oder nicht. 

Im Juli/August/September 2010 bei dem die neuen Diagnosemethoden vor Ort getestet und Absprachen mit Wissenschaftlern in La Paz getroffen wurden, wie der fertiggestellte Chagas werden kann. Es wurde verabredet, Paz herzustellen und das Verfahren im Rahmen des nationalen Chagas-Programms zunächst parallel zu anderen Diagnostika es im Laufe der Zeit die teuren kommerziellen Diagnostika ersetzen. Jahres zum Bruch mit dem Kooperationspartner zur Einführung des Diagnoseverfahrens in Lateinamerika entwickelt werden mussten. Mehr dazu wird weiter unten ausgeführt.
An der Universidad San Andrés Anwendung molekularer Methoden für die Der Kurs wurde von den Teilnehmern mit Begeisterung aufgenommen. Zweifel daran, dass die nachrückende Wissenschaftlergeneration auch in Bezug auf den Grad ihre vorhandenen medizinischen Technologien im eigenen Land bescheidenerer Haushaltslage. Dies ist nicht zuletzt psychologisch begründet. Bei der jungen Generation findet man kaum Menschen aus reichen Ländern, wie sie bei der älteren Bevölkerung noch vorherrscht - kein Wunder nach 500 Jahren Ausbeutung  und Unterdrückung.

Nach der Rückkehr aus Bolivien wurde im Labor in Heuchelheim die zweite in Arbeit befindliche Methode zum Nachweis zum Nachweis der Chagas-Krankheit fertiggestellt („Chagas-Schnelltest“). Sie besteht aus einem Teststreifen, der nach dem Prinzip des „lateral flow“ funktioniert, benötigt nur einen Tropfen Blut und kann ohne weitere technische Hilfsmittel überall im Feld eingesetzt werden. Der Schnelltest basiert ebenfalls auf rekombinanten Antigenen, die sich allerdings von den im „Chagas-ELISA“ verwendeten leicht unterscheiden. Mit unseren im Labor zur Verfügung stehenden Patientenseren wird dieselbe Nachweisempfindlichkeit und Spezifität wie im ELISA erreicht, Studien mit frischen Patientenproben im Rahmen von Feldstudien stehen jedoch noch aus. Die Herstellung kleinerer Mengen solcher Teststreifen für Feldstudien ist in Labor in Heuchelheim möglich, für die Herstellung im großen Maßstab und zur Validierung des Verfahrens muss jedoch ein industrieller Partner gefunden werden. Auch dazu wird weiter unten Näheres ausgeführt. 

Leider kam die geplante Einführung der Produktion des Chagas-ELISA im INLASA in La Paz nicht zustande, da es zu heftigen Zerwürfnissen mit dem dort verantwortlichen Leiter des Labors kam, die einer künftigen Kooperation im Wege stehen. Als Alterative wurde sowohl mit den Ärzten ohne Grenzen als auch mit Medico International diskutiert, wie das Diagnoseprojekt auf nicht-kommerzielle Art in Lateinamerika eingeführt werden könne. Beide Organisationen zeigten sich zunächst interessiert, forderten aber, nicht anders als bei den Bedingungen in der Pharmaindustrie, die Einreichung eines Patents und ausführliche klinische Studien des Verfahrens, bevor sie sich darauf einlassen würden. Solche Bedingungen können wir mit unseren bescheidenen Finanzmitteln leider nicht erfüllen. Die logische Konsequenz war daher, die Produktion des Tests durch einen geeigneten Industriepartner in eigener Regie zu versuchen. 

Freilich widerspricht dieses Vorgehen unserer Philosophie, die Pharmaindustrie außen vor zu lassen, um der von Krankheit betroffenen Bevölkerung preiswerte Diagnostika durch Eigenproduktion zukommen zu lassen. Aber diese Sichtweise war von unserer Seite wohl zu naiv. Die Köpfe der Entscheidungsträger in Entwicklungsländern funktionieren eben bestenfalls so gut wie bei unseren Politikern, und sie können sich nicht vorstellen, dass etwas, was billig ist, auch gut sein kann. Das Teuerste wird als das Beste angesehen, und als jahrhundertelang Unterdrückte glauben sie Anspruch auf das Beste zu haben, nicht auf billige Almosen. 

Wir sind überzeugt davon, dass das von uns entwickelte Diagnoseverfahren besser ist, als die bisher vorhandenen Methoden. Um in das Denkschema der Nutzer zu passen, muss es dann eben auch teuer sein, selbst wenn sie es sich nur in geringem Umfang leisten können. Für teure Verfahren gibt es im übrigen einen guten Markt: die zahlreichen Blutbanken in vielen Ländern. Um die Weitergabe der Chagas-Krankheit durch Transfusion zu vermeiden, müssen in ganz Lateinamerika, im Süden der USA und in Spanien alle Blutspenden getestet werden. Wenn unser Verfahren wirklich besser ist, kann es bald eine führende Stellung auf diesem Markt einnehmen und wird dadurch bekannt. Dann wird es auch die von Krankheit betroffene Bevölkerung wollen – und hier dreht es sich um astronomische Zahlen: ca. 100 Millionen Menschen in Lateinamerika leben in Chagas-Risikogebieten. Zumindest die jüngere Hälfte der Bevölkerung, bei der die vorhandenen Medikamente eine gute Wirksamkeit zeigen, müsste einmal im Jahr auf eine Infektion überprüft werden.

Wir haben diese Situation kürzlich mit Vertretern eines mittelständischen Diagnostika- Produzenten diskutiert und fanden dort durchaus Verständnis für unser Anliegen, das Diagnoseverfahren für die arme Bevölkerung für einen akzeptablen Preis zu Verfügung zu stellen. Natürlich sieht auch diese Firma zunächst ihre unmittelbaren Marktchancen bei den Blutbanken. Aber dabei muss es nicht bleiben. Diese Firma produziert nicht nur, sondern hat eine sehr qualifizierte Entwicklungsabteilung. Sie hat ein Testverfahren für Massenuntersuchungen entwickelt, das noch einfacher und noch preiswerter als unser lateral flow-Schnelltest für die Chagas-Krankheit herzustellen ist. Dieses Verfahren könnte mit Hilfe unseres Antigens wahrscheinlich auch für die Diagnose der Chagas-Krankheit Anwendung finden und zu einem akzeptablen Preis verkauft werden. 

Wir haben uns entschlossen, mit dieser Firma zunächst bezüglich der Chagas-Diagnose zu kooperieren. Eine darüber hinausgehende Zusammenarbeit mit Leishmania-Diagnose ist angedacht. Hier wird es voraussichtlich noch zwei bis drei Jahre dauern, bis klar ist, wie viele verschiedene Leishmania-Arten in der Neuen Welt tatsächlich zirkulieren und entsprechende definierte Patientenseren zur Verfügung stehen. Die Einbeziehung der Industrie bei der Realisierung einiger unsrer Projekte schließt schließlich nicht aus, dass wir auf anderen Gebieten des Gesundheitswesens fortfahren werden, Hilfe zu Selbsthilfe zu leisten, z. B. bei der Entwicklung der Rotavirus-Diagnose, wo wir bereits eine äußerst kompetente Kooperationspartnerin in Bolivien haben: unser Vereinsmitglied Prof. Dr. Volga Iñiguez, Leiterin des nationalen Rotavirus-Referenzlabors.


GEFEK-Jahresbericht 2009 

Im vergangenen Jahr wurde schwerpunktmäßig an der Einführung einer bezahlbaren Diagnose der Chagas-Krankheit in Lateinamerika gearbeitet. Eine Fokussierung auf die wichtigsten und am weitesten entwickelten Projekte war nach Auflösung der Arbeitsgruppe an der Universität nötig geworden, denn die eingegangenen Spenden reichten leider nicht dafür aus, bezahlte Mitarbeiter im Labor in Heuchelheim einzustellen. Statt dessen wurde die Arbeit in Bolivien ausgeweitet und es gibt eine Reihe positiver Ereignisse zu berichten. 

Die Kooperation mit bolivianischen Kranken- und Forschungseinrichtungen konnte ausgebaut werden. Mehrere Personen, die in wichtiger Funktion an unseren Projekten beteiligt sind, konnten als neue GEFEK-Mitglieder gewonnen werden. Wie schon in den Jahren zuvor wurden die in Giessen entwickelten bzw. verbesserten diagnostischen Verfahren zunächst im Labor von Prof. Volga Iñiguez in La Paz ausprobiert und später praktisch im Feld eingesetzt. Dies betrifft in erster Linie das in früheren Berichten schon erwähnte Nachweisverfahren für die Chagas-Krankheit mittels eines ELISAs. Die ausgezeichnete Funktion dieses Tests konnte im Vergleich mit einigen etablierten, aber für bolivianische Verhältnisse viel zu teuren kommerziellen Nachweisverfahren mit einer großen Zahl neuer Patientenproben bestätigt werden. Unser ELISA kann im Prinzip für wenig Geld in großen Mengen bereitgestellt werden, was fehlt, ist allerdings noch die amtliche Zulassung. Vermittelt über unser Entwicklungshilfe-Ministerium wurde uns dazu zunächst Hilfe seitens der WHO versprochen. Leider ist das Projekt in Genf dann aber in den Maschen der Bürokratie hängen geblieben. Dazu gäbe es viel zu berichten, aber Lamentieren ist nicht produktiv, und es ist schade um die Zeit, die wir in der Auseinandersetzung mit diesem Problem verlieren würden. Wir haben stadtdessen eine Kooperation mit einer Gruppe in Brasilien organisieren können, die unseren ELISA jetzt mit Proben von Patienten aus verschiedenen Teilen Lateinamerikas testet. Bisherige Ergebnisse bestätigen die gute Qualität des Tests, aber die Daten müssen noch durch weitere Untersuchungen bestätigt werden. 

Ein großer Renner während des letztjährigen Bolivien- Aufenthalts war der Prototyp eines extrem einfachen Nachweisverfahrens für die Chagas- Krankheit. Es ist ein Teststreifen, der ohne technische Hilfsmittel außerhalb des Labors eingesetzt werden kann. Man braucht dafür nur einen Tropfen Blut, der mit Hilfe einer Lanzette aus einer Fingerspitze gewonnen werden kann. Ein großer Vorteil dieser Methode ist auch, dass man den Patienten innerhalb von 20 Minuten das Ergebnis mitteilen kann. Wir hatten den Test an mehreren Stellen des Landes vorgeführt und konnten uns dabei vor Interessenten kaum retten. Aktionen, die für einen Tag angesetzt waren, mussten auf bis zu vier Tage verlängert werden, um alle angereisten Menschen zu untersuchen. Dabei hatten wir mit Absicht nur solche Regionen ausgesucht, in denen die Chagas-Krankheit nicht endemisch ist. Aber durch die starke Migration der Bevölkerung trifft man genügend positive Patienten überall im Land. Es war anrührend zu beobachten, wie Eltern, bei denen der Test positiv ausfiel, dies als Bestätigung ihrer Befürchtungen gefasst hinnahmen, gleichzeitig aber glücklich waren, wenn sich herausstellte, dass ihre Kinder keine Infektion hatten. An der Weiterentwicklung des Schnelltests wurde im Labor in Heuchelheim in den letzten Monaten intensiv gearbeitet. Es steht zu erwarten, dass im Sommer dieses Jahres eine erheblich verbesserte Version in Bolivien unter Feldbedingungen getestet werden kann. 

Um ein Haar hätten wir einen sympathischen und für uns äußerst wichtigen Kooperationspartner verloren: José Santalla. Er ist Leiter der Parasitologie im Instituto Nacional de Laboratorios de Salud (INLASA) in La Paz und inzwischen ebenfalls GEFEK-Mitglied. Er war von der bolivianischen Regierung zunächst entlassen worden, erhielt seinen Posten zum Glück aber wieder zurück, nachdem die angeblichen akademischen Diplome seines Nachfolgers sich als Fälschungen herausgestellt hatten. José's Labor ist die Anlaufstelle für nahezu alle Patienten mit Leishmaniose und Chagas-Krankheit in La Paz, und er ist im Gegensatz zu anderen Wissenschaftlern im Land äußerst kooperativ. Wir konnten viele diagnostische Tests in seinem Labor durchführen, er brachte uns bei, wie man die Leishmania-Parasiten aus Hautläsionen anzüchtet, und aufgrund seiner zahlreichen Beziehungen konnte er uns Kontakte mit Krankenhäusern in anderen Landesteilen vermitteln. Solche Beziehungen sind sind für die Arbeit im Lande absolut essentiell, denn nur über diese persönlichen Kontakte konnten wir im größeren Umfang mit Patienten in Verbindung treten. Als weiteres Projekt haben wir begonnen ein diagnostisches Nachweisverfahren für die Leishmaniose zu entwickeln. Diese Krankheit ist zwar nicht so häufig wie die Chagas-Krankheit, das Vorkommen nimmt aber bedingt durch die starke Migration im Lande ständig zu, und es gibt Regionen, wo ein erheblicher Teil der Bevölkerung betroffen ist. Diese durch Mücken übertragene Parasitenkrankheit wird überwiegend durch eine nur in Lateinamerika anzutreffende Erregerart (Leishmania brasiliensis) ausgelöst und kann zu entsetzlichen Verunstaltungen im Nasen-Rachenraum führen. Wenn die Krankheit rechtzeitig erkannt wird, kann sie medikamentös im Schach gehalten werden. Aber oft werden erste Symptome, ein schlecht verheilendes Geschwür um die Einstichstelle der Mücke herum, nicht ernst genommen, und die Menschen gehen erst zum Arzt, wenn erhebliche Probleme an den Lippen und in der Nase auftreten. Eine eindeutige Diagnose ist ausgesprochen schwierig. Für die Immundiagnose stehen als Antigene bisher nur Rohextrakte aus angezüchteten Erregern zur Verfügung, die in Tests zu relativ unspezifischen Resultaten führen, wobei die kommerziell erhältlichen Testkits auch noch extrem teuer sind. 

Ähnlich wie bei der Diagnose der Chagas-Krankheit versuchen wir im Labor in Heuchelheim, ein spezifisches Diagnoseverfahren mit Hilfe rekombinanter Antigene zu entwickeln. So etwas gibt es schon für den Nachweis verwandter Krankheitsformen in der Alten Welt (cutane und viszerale Leishmaniose). Leider passen die dort verwendeten Testsubstanzen nicht zu der in Lateinamerika auftretenden Krankheitsform der mucocutanen Leishmaniose. Frau Dr. Pilar Hernández arbeitete die gesamte erste Hälfte des Jahres in Bolivien und sammelte in verschiedenen Landesteilen zahlreiche Proben von Leishmaniose-Patienten. 

Der von uns entwickelte Test ist zwar noch nicht fertig, sieht aber vielversprechend aus. Ein Prototyp des Tests soll noch im Sommer dieses Jahres in Bolivien ausprobiert werden. Die Diagnose der Krankheit durch verschiedene molekulare Methoden ist zwar möglich und besitzt eine hohe Nachweisempfindlichkeit. In Kooperation mit Frau Prof. Gabriele Schönian von der Humboldt Universität in Berlin haben wir eine solche Methode zum Nachweis der amerikanischen Erregertypen entwickelt. Sie kann aber nur zur Bestimmung der Tauglichkeit des neu entwickelten immunologischen Tests herangezogen werden. In der bolivianischen Realität können die molekularen high-tech-Methoden leider noch lange nicht eingesetzt werden.

In einem weiteren Projekt sind wir dabei, ein einfaches Verfahren zum Nachweis von Rotavirus- Infektionen zu entwickeln. Rotaviren führen zu heftigen Durchfällen und sind in Bolivien und vielen anderen armen Ländern der Welt häufigste Todesursache bei Kleinkindern. Kommerzielle Diagnostika sind erhältlich, aber unerschwinglich teuer. Wir wollen eine Variante des gängigen kommerziellen Nachweisverfahrens (ein Sandwich-ELISA) herstellen. Ein dafür notwendiges Oberflächenprotein des Virus wurde rekombinant hergestellt und wird zur Zeit zur Immunisierung von Kaninchen eingesetzt. Mit Hilfe dieses Kaninchen-Antiserums können dann die Viren in Stuhlproben nachgewiesen werden. Auch dieser Test soll nach Möglichkeit bereits im Sommer vor Ort ausprobiert werden. Unsere wissenschaftliche Gastgeberin Frau Prof. Iñiguez leitet das nationale Referenzlabor für Rotaviruserkrankungen in Bolivien. Sie ist natürlich brennend an diesem Test interessiert.

Als letzte positive Nachricht gilt es mitzuteilen, dass das Spendenaufkommen für den Verein im vergangenen Jahr erfreulich hoch war. Dies verdanken wir in erster Linie der Aktivität unseres Mitglieds Dr. Pia Fürniß. Sie hat nicht nur selbst durch den Verkauf von bolivianischen Handarbeiten und Weihnachtsgebäck ("Springerle", eine Spezialität aus dem Schwabenland) auf Weihnachtsmärkten Erhebliches beigetragen, sondern auch durch Kontakte zu Verwandten, Freunden und nicht zuletzt zur Presse unsere Ideen verbreitet. Die Vorstellung von GEFEK in der Zeitschrift "Chrismon" hat zu einer wahren Spendenflut geführt, so dass ich alle Hände voll zu tun hatte, am Anfang diese Jahres die vielen Spendenquittungen zu versenden. Die Mittel reichten nicht nur, um die Kosten für das Jahr 2009 zu decken, sondern erlauben auch, große Teile der Projekte im laufende Jahr zu finanzieren.   

GEFEK-Jahresbericht 2008

Das Jahr 2008 war durch zwei wichtige Ereignisse geprägt: Die Auslagerung der Aktivitäten aus der Justus Liebig Universität Giessen verbunden mit der Gründung eines neuen Büros und eines eigenen Labors in Heuchelheim, einem Vorort von Giessen, und ein über zwei Monate dauernder Aufenthalt in Bolivien, um die neu entwickelten Diagnoseverfahren für die Chagas-Krankheit und die Leishmaniose im großen Stil zu testen und an dortigen Forschungseinrichtungen zu etablieren.  

Der Auszug aus der Universität war durch die Pensionierung des Geschäftsführers und Koordinators der wissenschaftlichen Tätigkeiten von GEFEK, Ewald Beck, bedingt. Die letzten Doktoranden der Arbeitsgruppe, die im Rahmen ihrer Projekte in erheblichem Maß zur wissenschaftlichen Umsetzung der Ziele des Vereins beigetragen hatten, verteidigten in der ersten Hälfte des Jahres erfolgreich ihre Dissertationen. Zandraa Jamba, der neue molekulare und immunologische Nachweisverfahren für die Brucellose entwickelt hat, ist jetzt dabei, seine in Giessen erworbenen Kenntnisse in der Mongolei in die Praxis umzusetzen. Er stößt dabei zurzeit noch auf größeres Entgegenkommen bei den Veterinären – die Brucellose ist bekanntermaßen eine Zoonose und bei Herdentieren noch viel weiter verbreitet als bei Menschen. In der Mongolei kommen auf jeden Einwohner 20 – 30 Schafe, Ziegen, Rinder oder Pferde, die regional teilweise zu mehr als 50% infiziert sind. Durch den engen Kontakt der überwiegend von der Weidewirtschaft lebenden Bevölkerung mit ihren Herden lässt sich die Übertragung der Keime auf Menschen kaum vermeiden. Die Krankheit kann nur dann erfolgreich bekämpft werden, wenn ihr Auftreten sowohl bei Tieren als auch bei Menschen überwacht wird. Da ein Rind auch in der Mongolei einige hundert Dollar wert ist, lässt sich der Kosten-Nutzen-Effekt bei der Bekämpfung der Krankheit bei Tieren leichter errechnen als bei Menschen.... Der erfolgreiche Einsatz der neuen Methoden durch die Tiermediziner wird sich hoffentlich bald auch bei den Humanmedizinern herumsprechen. Wichtig ist dabei, dass die für die Durchführung der neu entwickelten Immundiagnose notwendigen Antigene jetzt in der Mongolei selbst hergestellt werden. Die neue, von Zandraa entwickelte Methode ist absolut spezifisch für die Brucellose, wohingegen alle bisher erhältlichen kommerziellen Diagnoseverfahren häufig zu falsch positiven Ergebnissen führen, weil sie auch mit verbreiteten anderen Bakterienarten reagieren, z.B. mit bestimmten Durchfallerregern. 

Die Ergebnisse zweier weiterer Dissertationen, zum einen die Entwicklung eines spezifischen Nachweises der visceralen Leishmaniose von Michael Heimann, und zum anderen das im letzten Jahresbericht schon vorgestellten Nachweisverfahrens für die Chagas-Krankheit von Pilar Hernández Pastor, waren der Grund für den längeren Aufenthalt zweier GEFEK-Mitglieder in Bolivien. Für das Nachweisverfahren der Leishmaniose galt es, seine Anwendbarkeit auf die lateinamerikanischen Stämme dieser Krankheitserreger zu überprüfen. Man kennt weltweit mehr als 50 verschiedene Arten von Leishmanien, wobei die größten Unterschiede zwischen den Stämmen der alten und der neuen Welt beobachtet werden. Das neue Diagnoseverfahren für die Chagas-Krankheit sollte in zwei großen Feldstudien wiederholt getestet werden, außerdem sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die Herstellung der zur Durchführung des Verfahrens benötigten rekombinanten Antigene langfristig in Bolivien selbst zu etablieren. 

Die Organisation der Arbeit verlangte uns zunächst viel Geduld und manchmal die letzten Nerven ab, wenn tagelang der Strom ausfiel oder notwendige Geräte und Chemikalien trotz vorheriger Zusage nicht zur Verfügung standen. Aber letztlich konnten wir die geplanten Projekte doch erfolgreich durchführen und feststellen, dass unser Konzept Hilfe zur Selbsthilfe gut angenommen wurde. Die uns von der Bevölkerung entgegengebrachte Gastfreundschaft und Dankbarkeit für unser Bemühen um ihre Probleme war bewegend. Nirgendwo stießen wir auf so etwas wie Fremdenfeindlichkeit, im Gegenteil. Da mit Ausnahme der jetzigen demokratisch gewählten Regierung die Diktaturen der vergangenen Jahrzehnte sich in keiner Weise um die Gesundheitsprobleme der überwiegend extrem armen Bevölkerung gekümmert hatten, war nahezu aller medizinischer und sozialer Fortschritt durch ausländische Organisationen zustande gekommen. Als Ausländer wird man nur in Tourismuszentren Opfer von Taschendieben, im Rest des Landes genießt man als Mitglieder einer Hilfsorganisation Achtung. 

Wir haben erlebt, dass ein österreichischer Mönch, der Franziskanerpater Roberto, der sich seit drei Jahrzehnten um die Verbesserung der Lage der am Ostabhang der Anden angesiedelten Bevölkerung durch Bau von neuen Straßen und Schulen bemüht, nahezu als Heiliger verehrt wird. Durch Einbindung der Siedler in seine Projekte in Form von aktiver Mitarbeit, die er energisch einfordert, erhalten die Beteiligten ein neues Gefühl von Selbstvertrauen und Selbstachtung, was dem Rest der Bevölkerung oft völlig abgeht. Die meisten Einwohner sind indianischer Abstammung und empfinden sich selbst als Menschen zweiter Klasse. Man kann sich den hemdsärmeligen Pater kaum als Priester vorstellen, eher als Bauingenieur, aber er versteht es in vorbildlicher Weise, seinen christlichen Auftrag in greifbare gemeinnützige Realität umzusetzen. Der Handel mit Obst und Gemüse, das in dieser Region gut gedeiht, erfordert ein funktionsfähiges Straßennetz, um die Ernte auf den nächsten Markt zu transportieren. 

Die vom Staat angelegten Wege werden meist schon in der nächsten Regenzeit so stark geschädigt, dass sie für Kleinlaster unpassierbar werden. Da bleibt den Siedlern nur der Anbau von Coca, denn die gesamte Jahresernte einer Plantage lässt sich problemlos auf dem Rücken zu Fuß zum nächsten Umschlagplatz tragen. Padre Roberto befestigt seine Straßen mit Schotter und baut Brücken aus Stahlbeton. Er schafft auf diese Weise zwar nur 20 km Straße pro Jahr statt 50 km wie vergleichbar große staatliche Bautrupps, aber dafür halten seine Wege viele Jahre lang. Zugleich baut er Schulen, kümmert sich um eine qualifizierte Ausbildung der Jugend und sorgt für eine elementare Gesundheitsversorgung. Dadurch stabilisieren sich dörfliche Strukturen, die den Siedlern erlauben, sich in die neue Umgebung einzuleben und sie mit der Zeit nicht mehr nur als Notbehelf, sondern als Heimat zu empfinden. Die Finanzierung seiner Aktivitäten läuft ausschließlich über Spendengelder, um die er sich durch Schreiben von Anträgen aktiv bemühen muss. 

In diesen neuen Siedlungsgebieten gibt es natürlich auch neue Krankheiten wie Malaria, Leishmaniose und Chagas-Krankheit. Hier kommt GEFEK ins Spiel, denn unter diesen Verhältnissen sind preiswerte Methoden zum Nachweis von Infektions-krankheiten gefragt. In der Krankenstation von Palos Blancos in der Region Alto Beni haben wir Blutproben von Patienten gesammelt und für nähere Analysen im Labor in La Paz aufbereitet. Die äußeren Umstände waren zwar spannend, aber nicht gerade komfortabel, und an manchen Tagen waren wir ziemlich erschöpft.  

Es stellte sich heraus, dass das in Giessen neu entwickelte Diagnoseverfahren zur Unterscheidung der gefährlichen viszeralen Leishmaniose von der relativ harmlosen und daher nicht behandlungsbedürftigen cutanen Leishmaniose in Afrika und Asien für die Anwendung in der Neuen Welt nicht ausreichend geeignet war. Die Leishmania-Stämme in Lateinamerika unterscheiden sich doch zu sehr von den altweltlichen Formen. Die Infektion kann in Lateinamerika nach Monaten oder Jahren zu dem entstellenden klinischen Erscheinungsbild der mucocutanen Leishmaniose führen. Zur Therapie der Krankheit müssen Medikamente mit starken Nebenwirkungen eingesetzt werden. Während die cutane Form auch hier nach einiger Zeit spontan abheilt, und man den Patienten daher die sehr belastende und teure Therapie ersparen könnte, müssen gegen die schweren Verlaufsformen der mucocutanen und – in Bolivien zum Glück seltenen – viszeralen Leishmaniose in jedem Fall Medikamente einsetzt werden, und zwar je früher mit desto besserer Aussicht auf Heilung. Dabei ist es wichtig, schon im Frühstadium, d.h. beim Auftreten der ersten typischen Hautläsionen entscheiden zu können, um welche Krankheitsform es sich handelt. Da die kommerziell erhältlichen Diagnoseverfahren allerdings ebenfalls nicht zwischen der cutanen und der mucocutanen Leishmaniose unterscheiden können, wollen wir versuchen, ein neues immunologisches Verfahren zu entwickeln, das zu der gewünschten frühzeitigen Unterscheidung zwischen diesen beiden Krankheitsformen führt. Dieses neue Verfahren soll in den nächsten Monaten fertiggestellt und im Frühjahr 2009 in Bolivien getestet werden.  

Der Schwerpunkt der Arbeit in Bolivien in diesem Jahr lag indes in der Validierung und Bekanntmachung unseres neu entwickelten Diagnoseverfahrens für die Chagas-Krankheit. In Ergänzung zu unserer Arbeit an der Universidad Mayor de San Simón, wo wir für die Dauer unseres Aufenthaltes von Frau Prof. Volga Iñiguez nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern auch viel moralische Unterstützung erhielten, konnten wir eine sehr fruchtbare Kooperation mit dem Instituto Nacional de Laboratorios de Salud (INLASA) etablieren. Die wissenschaftliche Leitung dieser Institution hat seit kurzem Frau Prof. Frederique Brenière aus Montpellier übernommen, die seit vielen Jahren die Epidemiologie des Erregers der Chagas-Krankheit, T. cruzi untersucht. Das Labor wird von Frankreich finanziert und ist selbst gemessen an europäischen Kriterien komfortabel ausgestattet. Mehrere hundert Patientenseren wurden mit dem von uns entwickelten Test, dem TcBCDE-ELISA, untersucht, und das Ergebnis mit Daten aus Untersuchungen mit verschiedenen etablierten Diagnoseverfahren verglichen. Dabei konnte klar belegt werden, dass unserer Methode zuverlässig funktioniert. Sie hat mindestens dieselbe hohe Empfindlichkeit und Genauigkeit wie die besten kommerziell erhältlichen Tests, darüber hinaus aber den Vorteil, dass sie mit wenig Geld in beliebigem Umfang in Eigenregie hergestellt werden kann. Dies ist unerlässlich, weil die Diagnose alleine in Bolivien jährlich mit mehreren Millionen Menschen durchgeführt werden müsste. Da sie in der technischen Vorgehensweise anderen im Land häufig verwendeten Diagnoseverfahren ähnelt, bedarf es für die Durchführung weder einer besonderen Schulung des Personals, noch der Anschaffung neuer Gerätschaften. 

Die verwendeten Patientenseren stammten überwiegend aus dem Verwaltungsbezirk La Paz, der auch Regionen im Tiefland einschließt, wo die Chagas-Krankheit wesentlich häufiger auftritt als in der Hauptstadt in 3600 Metern Höhe. Um zu zeigen, dass unser Diagnoseverfahren auch für andere Provinzen des Landes geeignet ist – denn man kennt geographisch unterschiedliche Stämme von T. cruzi – führten wir eine weitere Studie in Santa Cruz durch, wo die Krankheit besonders weit verbreitet ist. Zunächst stellte es sich als äußerst schwierig heraus, eine Genehmigung für diese Untersuchung zu erhalten, denn zwischen La Paz und den Provinzen im Tiefland herrschte nach dem Wahlsieg von Evo Morales ein offener politischer Konflikt. Die Erlaubnis zur Studie war bis zum Schluss gefährdet. Wir reisten am Ende ohne offizielle Genehmigung einfach an und verhandelten mit dem Chef der Klinik persönlich. Nach anfänglichem Zögern erlaubte er uns schließlich, für die Dauer einer Woche Blutproben von Gebärenden in einer Frauenklinik einzusammeln. Mit Hilfe dreier ad hoc eingestellter junger Krankenschwestern konnten wir in diesem Zeitraum etwa 250 Blutproben erhalten, die in harter Tag- und Nachtarbeit sofort in Plasma- und Leukozytenfraktionen getrennt werden mussten, um sie für weitere Untersuchungen zu konservieren. Wir stellten mit Ernüchterung fest, dass die Mehrzahl der Mütter extrem jung war – es gab einige 14-Jährige – und viele von ihnen oft noch nicht einmal den Vater des Kindes kannten. Dieses Problem geht nicht zuletzt auf die rigide Haltung der Kirche zurück, die der überwiegend christlich-katholischen Bevölkerung die Verwendung jeglicher präventiver Maßnahmen gegen Schwangerschaft untersagt und natürlich auch keine Sexualerziehung anbietet.  

Die Analyse der Patientenproben ergab, dass 25 % aller untersuchten Mütter mit T. cruzi infiziert waren. Dies bestätigte bereits bekannte epidemiologische Daten und belegt die Dringlichkeit der Einführung einer generellen Diagnose für diese Krankheit. In anderen Regionen Boliviens, etwa in Taricha im Südosten des Landes, liegen die durchschnittlichen Infektionsraten noch höher. Dort sind mancherorts bis zu 80 % der Bevölkerung infiziert. Ein Viertel dieser Menschen wird innerhalb von 10-20 Jahren an den Folgen der Infektion sterben. Aus Kostengründen unternimmt der Staat bisher nichts, und in Anbetracht der Weltwirtschaftskrise werden in nächster Zeit noch weniger Mittel zur Verfügung stehen. Die von GEFEK verfolgte Strategie der Hilfe zur Selbsthilfe ist daher notwendiger denn je.  

Die Untersuchung derselben Proben mit den besten erhältlichen kommerziellen Tests bestätigte die zuvor in La Paz beobachteten hervorragenden Eigenschaften unseres Nachweisverfahrens und belegt zugleich seine universelle Anwendbarkeit. Wir haben die Ergebnisse inzwischen zur Publikation eingereicht und hoffen, dass dadurch ein größeres internationales Interesse an der Sache zustande kommt. Wir vertreten dabei den Standpunkt, dass die Methode nicht kommerzialisiert werden darf, denn dann wird sie, wie die anderen Diagnoseverfahren, unerschwinglich teuer. Wir versuchen vielmehr, das Gesundheitsministerium dazu zu bringen, die Produktion in einer staatlichen Einrichtung selbst zu übernehmen und die Diagnose landesweit anzuwenden.  

Wir haben die Angelegenheit ausführlich mit dem nationalen Leiter von Medecins Sans Frontières diskutiert. Diese Organisation hat in den vergangenen Jahren selbst versucht, in einigen Regionen des Landes die Diagnose der Chagas-Krankheit flächendeckend durchzuführen und alle als positiv ermittelten Kinder medikamentös behandelt. Freilich konnte dies nur mit Hilfe der teuren kommerziellen Diagnoseverfahren geschehen, und die Studie war daher aus Kostengründen örtlich und zeitlich limitiert. Es stellte sich heraus, dass  diese Strategie prinzipiell funktioniert. Es müssen dabei zwar auch Personen mit Medikamenten versorgt werden, die später möglicherweise keine klinischen Symptome der  Krankheit entwickeln würden (statistisch etwa zwei Drittel der Infizierten), aber es gibt bisher  leider keine erkennbaren Kriterien dafür, warum manche Menschen schwer erkranken und andere so gut wie nicht. Von mehreren tausend im Rahmen dieser Studie behandelten Kindern starben drei, wobei allerdings nicht bewiesen war, dass diese Todesfälle auf die eingenommenen Medikamente zurückzuführen waren. Unter den mangelhaften medizinischen Bedingungen in Bolivien sterben viele Kinder aus ungeklärter Ursache. Andererseits würde ohne medizinische Behandlung ein Drittel dieser Kinder 10-20 Jahre später an den Folgen der  Infektion sterben. Es ist eine schwierige ethische Entscheidung, ob in jedem Fall eine medikamentöse Behandlung erfolgen soll, wenn die Diagnose positiv ausfällt. Dieser Konflikt könnte möglicherweise so gelöst werden, dass die Entscheidung zur Therapie nicht seitens des Staates eingefordert, sondern den Eltern überlassen wird. Das setzt natürlich eine ausreichende Aufklärung der Bevölkerung über die Krankheit und möglichen Risiken der Therapie voraus. Und es entbindet die internationale Gemeinschaft auch nicht von der Pflicht, nach besser verträglichen Medikamenten gegen die Krankheit zu suchen. Eine flächendeckende Diagnose der Krankheit wäre aber schon aus dem Grund nützlich, dass sie in eklatanter Weise die Größe des Problems bekannt machen würde, so dass die bisherige Politik des Nichthinsehens bzw. Verdrängens nicht länger beibehalten werden kann.  

Im Frühjahr 2009 werden wir aus drei Gründen wieder nach Bolivien reisen. Erstens muss die Gesundheitsbehörde von der Dringlichkeit der flächendeckenden Diagnose der Chagas-Krankheit überzeugt werden. Wichtig hierbei wird sein, den Bolivianern klarzumachen, dass sie die Herstellung der für die Diagnose notwendigen Substanzen selbst in die Hand nehmen müssen und dazu auch absolut kompetent sind. Wir rechnen hierbei mit der Unterstützung der Medecins Sans Frontières, die in Bolivien ein hohes Ansehen genießen. Zweitens wollen wir ein alternatives Diagnoseprinzip testen, das auf dem Nachweis von T. cruzi -Antikörpern gegen dasselbe rekombinante TcBCDE-Antigen mit Hilfe eines einfachen Teststreifens beruht. Dieser Test funktioniert im Labor bereits, muss allerdings auf die Produktion in ausreichend großem Maßstab umgestellt werden. Der Test ist nicht ganz so preiswert wie das ELISA-Verfahren, hat aber den großen Vorteil, dass er fast ohne Hilfsmittel mitten im Urwald durchgeführt werden kann. Er eignet sich somit zur Untersuchung von Menschen in abgelegenen Regionen, was bei der Größe des Landes (zweimal BRD) mit weniger als 10 Millionen Einwohnern häufig erforderlich sein wird. Solch ein Test ist bereits kommerziell erhältlich, er beruht aber auf anderen rekombinanten Antigenen. Er wird vielerorts als nicht ausreichend empfindlich eingestuft und ist mit ca. 2 Dollar pro Streifen auch zu teuer für die Anwendung im großen Stil. Das dritte Ziel ist der Test des oben erwähnten neuen Diagnoseverfahrens für die mucocutane Leishmaniose.  

Wir möchten an dieser Stelle allen Spendern herzlich für die Unterstützung unserer Projekte danken. Wir sind umso dankbarer, als wir uns bewusst sind, dass unsere Ideen nicht leicht zu vermitteln sind. Unsere Hilfe für die unter Krankheit leidenden Menschen ist nicht direkt, sondern beruht auf einem Lernprozess, den wir in den betroffenen Ländern anzustoßen versuchen. Dabei schwimmen wir mit unserer Strategie der Hilfe zur Selbsthilfe in vieler Hinsicht gegen den Strom, denn die Fachleute für Weltgesundheit bei WHO und Pharmaindustrie wollen solche Fragen „professionell“ gelöst wissen, was heißt, auf die kommerzielle Tour. Dass auf diese Weise die Probleme der Menschen in armen Ländern immer weiter in den Hintergrund gedrängt werden, weil sie schlicht keinen Markt darstellen, fällt im Lichte der vielen großen Errungenschaften der modernen Medizin nicht auf. Wir rühren an etwas, das viele lieber verdrängen möchten, denn man könnte bei näherem Hinsehen ein schlechtes Gewissen bekommen. Tatsache ist, dass wir mit dem heutigen Stand der Technologie die meisten Krankheiten ausrotten könnten. Wir tun es nicht, weil wir glauben, Wichtigeres tun zu müssen. Es werden hunderte von Milliarden in Kriege investiert, um Symptome wie den Terrorismus zu bekämpfen. Die Ursache für den Terrorismus ist letztlich aber die Not der armen Menschen. Würden wir das viele Geld in intelligenter Weise in den Aufbau von Gesundheitswesen, Bildung und Ökonomie in den armen Ländern investieren, gäbe es vermutlich keinen Terrorismus. Vor 60 Jahren wurde von den Vereinten Nationen feierlich verkündet: Alle Menschen sind gleich. Ein Teil der Menschheit ist offensichtlich gleicher... 

 

GEFEK-Jahresbericht 2007

Nach wie vor sterben in Entwicklungsländern große Teile der Bevölkerung an "vermeidbaren" Krankheiten, d.h. Krankheiten, für die in reichen Ländern ausreichendeMöglichkeiten zur Diagnose und medikamentösen Versorgung zur Verfügung stehen. Ausschlaggebend für die schlechte Gesundheitslage sind oft gar nicht die Kosten für die notwendigen Medikamente, wie häufig angenommen wird, sondern viel eher das mangelnde Erkennen der Erkrankung bzw. das Fehlen einer hinreichenden Diagnose. Krankheiten werden häufig erst wahrgenommen, wenn schwere klinische Symptome auftreten, aber dann ist es oft schon zu spät für eine Heilung. Viele bei uns eingesetzte Diagnoseverfahren sind in diesen Ländern mangels geeigneter Laborbedingungen nicht verwendbar, oder sie sind schlicht zu teuer. Weltweit besteht ein großer Bedarf an Diagnostika, die finanziell erschwinglich sind und auch unter einfachen Bedingungen zu eindeutigen Resultaten führen. Im Jahr 2004 wurde in Giessen der Verein GEFEK für den Austausch von medizinischem Wissen und biomedizinischer Technologie zwischen Ländern mit hohem Gesundheitsstandard und Entwicklungsländern gegründet. Eines der wichtigsten Ziele des Vereins ist die Entwicklung von Diagnoseverfahren, die in Entwicklungsländern einsetzbar sind, und der anschließende Transfer dieser Technologie in diese Länder in einer Weise, dass sie dort selbständig, d.h. ohne Hilfe von außen durchgeführt werden kann. Die Herstellung der notwendigen Diagnostika in Eigenregie ist für viele arme Länder der einzige Weg, die Kostenauf einem erträglichen Niveau zu halten. Diese Hilfe zur Selbsthilfe kann auf Dauer nicht nur zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheitssituation führen, sondern zugleich diese Nationen in dem Vertrauen bestärken, auch andere Probleme selbständig in den Griff zubekommen. 

Mongolei 

Auch in diesem Jahr wurde wieder ein intensiver Wissensaustausch mit verschiedenen Entwicklungsländern durchgeführt. Die schon seit längerer Zeit etablierte Kooperation mit der Mongolei wurde weiter ausgebaut. Der Arzt Zandraa Jamba aus Ulanbaataar verbrachte die meiste Zeit des Jahres im Labor von Prof. Beck in Giessen, hauptsächlich um neue immunologische Verfahren zur Diagnose der in der Mongolei weit verbreiteten humanen Brucellose zu entwickeln. Seine Arbeit wurde ergänzt durch eine veterinärmedizinische Forschergruppe in der Mongolei, die ähnliche Nachweisverfahren für die in den großen Rinder-, Ziegen- und Schafherden des Landes noch viel weiter verbreitete Brucellose zu entwickeln versucht. Die allgemein übliche Verwendung von Rohextrakten aus der Zellwand der Krankheitserreger als Antigen führt zwar zu einem empfindlichen Nachweis der Krankheit, ist aber in der Herstellung nicht ungefährlich und führt zudem zu Kreuzreaktionen mit weit verbreiteten Durchfallerregern. Daher stellte Herr Jamba putative Oberflächeproteine der Bakterien rekombinant her und setzte sie als spezifische Antigene ein. Von den 12 bisher getesteten Proteinen erwiesen sich zwei als brauchbar. Um die Empfindlichkeit des immunologischen Nachweises zu erhöhen, sucht er gegenwärtig noch nach weiteren Kandidaten.


Jemen 

Ein neues Einsatzgebiet für die von GEFEK vermittelteTechnologie ist der Jemen. Zwei Mitglieder des Vereins hielten sich Ende September für 10 Tage dort auf, umMöglichkeiten zur Kooperation mit den Universitätenin Dhamar und der Hauptstadt Sanaa zu eruieren. Im  Jemen sind eine Reihe von Infektionskrankheitenverbreitet, die eigentlich nicht endemisch sind, aber immer wieder durch Saisonarbeiter aus Afrika eingeschleppt werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um Malaria, Bilharziose und AIDS. DieVerbreitung der meisten Krankheitserreger und die dadurch bedingte Belastung der Bevölkerung ist wie in vielen Entwicklungsländern nicht klar erfasst. Die Toxoplasmose scheint in größerem Umfang als in anderen Ländern eine wichtige Rolle zu spielen, und natürlich leiden wie überall hauptsächlich Kinder unter vielen Durchfallerkrankungen. An der Universität Dhamar wurden die in Giessen entwickelten Methoden einem Publikum aus Ärzten und Studenten vorgestellt und stießen auf ein großes Interesse, was auch seinen Niederschlag in der lokalen Presse fand. Der in Englisch verfasste Berichtdes "Jemen Observer" ist im Internet nachzulesen (http://www.yobserver.com). Das Land, das seine Blütezeit im zweiten Jahrtausend vor Christus erlebte (Königin von Saba, König Salomon) enthält eine Vielzahl hervorragend erhaltener Kulturdenkmäler, von den enein großer Teil zum Weltkulturerbe gehört. Gemessen am durchschnittliche Einkommen der Bewohner rangiert die Nation zwar unter den ärmsten der Welt, aber dank Entwicklungshilfe aus vielen Industrienationen und auch durch die Anstrengungen der eigenen Regierung gibt es in der letzten Zeit sowohl auf dem Medizin- als auch dem Bildungs-Sektor deutliche Fortschritte. Leider musste das Land in den letzten Jahren heftig darunter leiden, dass es nicht bereit war, sich am Krieg gegen den Irak zu beteiligen. Subventionen und Investitionen aus vielen Industrienationen, u.a. den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden drastisch reduziert, so dass viele aussichtsreich begonnene Entwicklungsmaßnahmen wieder zum Erliegen kamen. Auch der Tourismus lahmt aufgrund mehrerer Entführungsfälle in derVergangenheit und einem durch Mitglieder von Alkaida ausgeübten Selbstmordanschlag im Juli dieses Jahres, bei dem sechs spanische Touristen und zwei jemenitische Fremdenführer ums Leben kamen. Abgesehen von dem in vielen arabischen Ländern üblichen Brauch, dass Frauen in der Öffentlichkeit prinzipiell nur verschleiert auftreten dürfen, hat das Land einen besonderen Charme und die (männliche) Bevölkerung ist liebenswürdig und gastfreundlich. Im Gegensatz zu vielen anderen armen Ländern der Welt braucht man als Besucher nicht dauernd Angst haben, bestohlen zu werden. Für GEFEK wird es in Zukunft gute Möglichkeiten geben, mit verschiedenen Gruppen der gerade im Aufbau begriffenen Medizinischen Fakultät der Universität Dhamar zusammenzuarbeiten. Die meisten dortigen Professoren haben ihren PhD im Ausland erworben und mehrere von ihnen haben gute Kontakte zu europäischen Universitäten. Als konkretes Projekt wird gegenwärtig an der Erfassung der Leishmaniose im Jemen gearbeitet, die dort als cutane und viszerale Form auftritt. Letztere Form verläuft ohne medikamentöse Intervention zu 90 % tödlich, kann aber mit den im Jemen vorhandenen Methoden bisher nicht eindeutig diagnostisch erfasst werden. 

Bolivien

Seit den ersten Kontakten mit Bolivien im Dezember 2005 wurden mehrere kooperativeProjekte mit diesem Land initiiert. Nach Durchführung erster gemeinsamer Experimente zur Diagnose der Chagas-Krankheit im Jahr 2006 reisten im August 2007 wiederum zwei Mitglieder von GEFEK in das Land, um die Kooperation weiter auszubauen. Der Aufenthalt war in diesem Jahr schwerpunktmäßig dem Test und der Etablierung eines in Giessen entwickelten neuen immunologischen Verfahrens zur Diagnose der Chagas-Krankheit gewidmet.Wie bereits im letzten Jahr berichtet, betrifft diese Krankheit Bolivien besonders hart. Im gesamten Land sind 23% der Bevölkerung mit dem Krankheitserreger, Trypanosoma cruzi, infiziert, und mehr als 13% derBevölkerung sterben an den Folgen dieser Krankheit. Erschwerend kommt hinzu, dass die Betroffenen meist gerade im produktivsten Lebensalter zwischen 25 und35 Jahren plötzlich versterben, was für Familien mit vielen Kindern besonders tragisch ist. Die meisten Menschen wissen nichts von ihrer Erkrankung, denn die Infektion erfolgt meist unbemerkt in derJugend. Wenn nach 10 bis 20 Jahren erste klinische Symptome wie Herzarhythmie, Verstopfung und Schluckbeschwerden auftreten, ist es für eine chemotherapeutische Intervention zu spät, weil die betroffenen Organe bereits irreversibel geschädigt sind. Dazu kommt, dass in diesen späten Stadien die verfügbaren Medikamente nichts mehr ausrichten, sondern im Gegenteil zu so starken Nebeneffekten führen, dass sie oft abgesetzt werden müssen. Die extrem weite Verbreitung der Krankheit in Bolivien wurde erst im letzten Jahr erkannt, nachdem die neue Regierung Gelder für die  landesweite Erfassung der Krankheit zur Verfügung gestellt hatte. Die Krankheit betrifft übrigens nicht nur Bolivien, sondern ganz Lateinamerika. Die WHO schätzt, dass dort zwischen 16 und 18 Millionen Menschen infiziert sind. Da es aber hauptsächlich den ärmstenTeil der Bevölkerung trifft, sind weder die Pharmaindustrie und oft noch nicht einmal die eigenen Landesregierungen daran interessiert, etwas zu unternehmen. Offizielle des argentinischen Gesundheitsministeriums haben kürzlich behauptet, es handle sich um wenigerals 100 Fälle pro Jahr. In Wirklichkeit leiden nach Angaben der Ärzte ohne Grenzen ca. 3,8 Millionen Menschen in diesem Land unter der Krankheit.Neben der wichtigsten Form der Übertragung der Krankheitserreger durch Raubwanzen kommt es in zunehmendem Maß zu Infektionen bei Bluttransfusionen und Organtransplantationen, und zwischen 1 und 10 % der Infektionen erfolgen von Mutter zu Kind. Letztere werden zumindest in Bolivien erfasst, weil sowohl von Gebärenden als auchvon Neugeborenen regelmäßig Blutproben untersucht werden. Bei positivem Befund wird möglichst bald mit der Therapie begonnen, denn bei Säuglingen liegt die Heilungschance bei über 99 % und die Therapie löst erstaunlicherweise keine Nebeneffekte aus. In Kooperation mit der Universidad Mayor de San Simón de Cochabamba wurden im August dieses Jahres mit zwei in Giessen neu entwickelten immunologischen Testverfahren unterVerwendung rekombinanter Antigene über 400 Seren von Patienten getestet. Ein Vergleich mit den in Cochabamba bisher eingesetzten kommerziellen immunologischen Tests ergab, dass unsere Verfahren mindestens genau so empfindlich waren wie ein kommerzieller ELISA mit Parasiten-Rohextrakt als Antigen. Zugleich waren unsere Tests aber viel spezifischer, weil sie im Gegensatz zum Rohextrakt-ELISA nicht mit anderen Infektionskrankheiten wie z.B. der Leishmaniose kreuzreagierten. Er war auch deutlich empfindlicher als alternative in Cochabamba angewendete Tests (u.a. parasitologische Untersuchungen, Agglutinationstests, immunchromatographische Schnelltests). Er konnte einen großen Teil der als "indefinidos" charakterisierten Seren, d.h. Seren, die mit einem Testverfahren (schwach) positiv, in mehreren anderen Tests aber negativ reagierten, als eindeutig positiv oder eindeutig negativerkennen. Es sind zwar inzwischen Diagnosekits auf dem Markt, die ebenfalls unter Einsatzvon rekombinanten Antigenen eine vergleichbare Empfindlichkeit und Spezifität besitzen, sie sind aber mit ca. 300 US$ für zwei mit Antigen beschichtete Mikrotiterplatten entschieden zuteuer, um in Bolivien Anwendung finden zu können.Der von uns entwickelte ELISA kostet weniger als ein Prozent dieser Summe und kann ohnegroßen Aufwand in Eigenregie hergestellt werden. Wir haben daher Absprachen getroffen, imJahr 2008 damit zu beginnen, dieses Diagnoseverfahren in Bolivien einzuführen. Zunächstsoll die gesamte Technologie – die Herstellung der rekombinanten Antigene, Herstellung derTestkits und Durchführung der diagnostischen Tests – an der Universidad Mayor de SanAndrés in La Paz etabliert werden. Ein Labor steht zur Verfügung, Verhandlungen mit dem bolivianischen Gesundheitsministerium sind im Gange, und ein Antrag auf eine (Teil)-Finanzierung des Unterfangens als kooperatives Projekt zwischen den UniversitätenBarcelona, Giessen und La Paz ist eingereicht. Zwei Mitglieder von GEFEK werden sich für sechs bzw. zwei Monate in La Paz aufhalten, um die Technologie in Bolivien zu etablieren.

Auch in diesem Jahr wurde wieder ein einwöchiges Praktikum über molekularbiologische Methoden zur Diagnose von Infektionskrankheiten durchgeführt, dieses Mal im Labor von Frau Prof. Volga Iñiguez an der Universidad Mayor de San Andrés in La Paz. Im Gegensatz zu früher abgehaltenen Kursen wurden die Experimente nicht nur demonstriert, sondern dank der relativ guten Ausstattung des Labors von den Teilnehmern weitgehend selbständig durchgeführt. Die Gastgeberin hatte anhand des vorab zugeschickten Protokolls alles perfekt vorbereitet. Unter den ca. 20 Teilnehmern waren auch Vertreter des Gesundheitsministeriums, die lebhaftes Interesse an den neuen Methoden zeigten. Während des Aufenthaltes wurden, wie oben erwähnt, auch Kontakte mit Fachleuten im Gesundheitsministerium selbst aufgenommen. Limitierender Faktor für eine landesweite Erfassung aller infizierten Personen werden zunächst die Kosten für die Therapie sein (ca. 60 US Dollar Medikamente pro Patient), denn wer positiv diagnostiziert wird, muss auch behandelt werden. Allerdings könnte durch systematische Erfassung und Therapie wenigstens der jüngeren Generation die Zahl der Neuerkrankungen in Bolivien vermutlich in kurzer Zeit so stark reduziert werden, dass die Kosten für die medikamentöse Versorgung für den Staatshaushalt längerfristig nicht all zu belastend werden. Als Gegenrechnung muss man die gewonnene Arbeitskraft des auf diese Weise geheilten Teils der Bevölkerung aufstellen. Die flächendeckende Diagnose der Krankheit wird natürlich für viele Jahre weiterhin notwendig sein. Die Kosten dafür werden aber gering ausfallen, wenn die Diagnostika im Land selbst hergestellt werden. Für die Erfassung der oft weit von einem Krankenhaus entfernt lebenden Landbevölkerung arbeitet GEFEK gerade an einem Schnelltest, einem sog. immunochromatographischen Teststreifen, der nur einen kleinen Tropfen Blut benötigt und ohne großen technischen Aufwand innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis liefert. 

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