GEFEK

Jeder hat das Recht auf angemessenen ärztliche Versorgung

 

Projekte von GEFEK

 

Bolivien

Seit neun Jahren bildet Bolivien einen Schwerpunkt der Aktivitäten von GEFEK. Bolivien ist das ärmste Land in Südamerika. Die Bevölkerung ist überwiegend indigener Herkunft: 30 % reine Indianer und 40% Mestizen (Mischung aus Indianern und europäischen Einwanderern). Die Bevölkerung leidet unter zahlreichen Infektionskrankheiten, wobei die Chagas-Krankheit das Land besonders hart trifft. 23% der Menschen sind mit dem durch blutsaugende Raubwanzen übertragenen Erreger der Krankheit, Trypanosoma cruzi, infiziert, und 13% aller Todesfälle in Bolivien sind nach Einschätzung der Ärzte ohne Grenzen auf diese Infektion zurückzuführen. Viele infizierte Menschen sterben früh im Leben, was für die betroffenen Familien und auch die Ökonomie des Landes katastrophale Folgen hat. Das Problem mit dieser Krankheit besteht darin, dass die Infektion meist nicht wahrgenommen wird und klinische Symptome erst nach 10-20 Jahren auftreten. In diesem späten Stadium helfenMedikamente nur noch wenig und führen zu schweren Nebenwirkungen. Dem gegenüber bestehen sehr gute Heilungschancen, wenn eine Therapie früh nach der Infektion erfolgt.

 

a)  Diagnose der Chagas-Krankheit

Als Strategie zur Bekämpfung der Chagas-Krankheit halten wir es daher für wichtig, den gefährdeten Teil der Bevölkerung regelmäßig diagnostisch zu überwachen, um im Falle einer Infektion rechtzeitig einschreiten zu können. Das bedeutet für Bolivien, dass jährlich mehrere Millionen Menschen untersucht werden müssen, was bei den Preisen kommerzieller Diagnoseverfahren für das Land einfach nicht zu leisten ist. Die Krankheit tritt übrigens nicht nur in Bolivien, sondern in ganz Lateinamerika auf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass gegenwärtig 10 Millionen Menschen infiziert sind. Da aber hauptsächlich der ärmste Teil der Bevölkerung betroffen ist, sind weder die Pharmaindustrie und oft noch nicht einmal die eigenen Landesregierungen sonderlich daran interessiert, etwas gegen die Krankheit zu unternehmen.

Erste gemeinsame Experimente zur Einführung einer kostengünstigen Diagnose der Chagas-Krankheit wurden von GEFEK im Jahr 2005 als kooperatives Projekt mit Bolivien durchgeführt. Ein von uns neu entwickeltes Diagnoseverfahren erwies sich als deutlich empfindlicher und spezifischer als vorhandene kommerzielle Tests. Es könnte mit wenig Aufwand in Bolivien hergestellt werden, und die Kosten lägen bei eigener Herstellung unter 10 Prozent der kommerziellen Diagnostika. Bis 2009 wurden mehrere größere Feldstudien erfolgreich durchgeführt.

Obwohl die Veröffentlichung dieser Methode in einer Fachzeitschrift international auf großes Interesse stieß, ist es uns leider nicht gelungen, die Herstellung der zur Durchführung der Diagnose notwendigen Komponenten zu akzeptablen Bedingungen in Bolivien zu realisieren. Ein Hemmschuh war, dass die nationalen, für die Chagas-Krankheit zuständigen Repräsentanten uns als „Gringos“ nicht akzeptierten. Sie nahmen zwar für das Projekt eingeworbene Finanzmittel an, blockierten aber Kontakte zum Gesundheitsministerium. Ein zweiter Anlauf zur Produktion der Komponenten in einer staatlichen Gesundheitseinrichtung scheiterte an der Mentalität der Verantwortlichen. Uns ist bis heute nicht klar, ob dabei verletzter Stolz bzw. unbefriedigter persönicher Ehrgeize, oder nicht offen ausgesprochene Profitgier eine Rolle gespielt hatten. Nach diesen frustrierenden Erlebnissen beschlossen wir schweren Herzens, das Diagnoseverfahren durch eine deutsche Firma produzieren und vertreiben zu lassen. Die Hersteller sagten immerhin zu, dass im Falle einer großen Nachfrage in Südamerika die Preise deutlich unter den jetzt üblichen zu liegen kommen würden.

An diesem Beispiel haben wir gelernt, dass etwas, was wir aus europäischer Sicht für notwendig und richtig erachten, in den betroffenen Länder nicht unbedingt ebenso gesehen wird. Früher oder später werden die Verantwortlichen für das Gesundheitswesen mit Sicherheit die Strategie einer möglichst frühen Diagnose der Chagas-Krankheit einführen, aber die Zeit ist noch nicht reif dafür. Wahrscheinlich müssen die von der Krankheit betroffenen Menschen erst selbst auf die Barrikaden gehen, damit ihnen geholfen wird. Aber die betrachten ihr armseliges Dasein bisher noch als Fügung des Schicksals.

 

b)  Diagnose von Rotavirus- und Norovirus-Erkrankungen

Andere Krankheiten werden in Bolivien nicht so fatalistisch hingenommen, z. B. wenn ein Kind aufgrund einer Durchfallerkrankung stirbt. Das geschieht leider recht häufig und ist Todesursache Nummer 1 für Kinder unter 5 Jahren, nicht nur in Bolivien, sondern in vielen Entwicklungsländern. Auslöser dieser Durchfälle können Parasiten, Bakterien oder Viren sein. In den großen Städten Boliviens sind am häufigsten die viralen Erreger, wobei Rotaviren mit Abstand die meisten Todesfälle verursachen. In Bolivien wird zwar jedes neugeborene Kind gegen Rotaviren geimpft, aber diese Schutzimpfung hilft nur in der Hälfte der Fälle. Für den behandelnden Arzt ist es dringend nötig festzustellen, ob der Durchfall durch ein gefährliches Rotavirus oder einen anderen Erreger mit wesentlich harmloseren Krankheitsverlauf ausgelöst wurde. Im Fall einer Rotavirus-Infektion muss ein Krankenhausbett und eine Infusion für den Notfall einer Dehydrierung durch großen Wasserverlust bereit stehen, alle anderen Erreger kann ein Kind normalerweise ohne Hilfe überstehen.

In La Paz gibt es ein nationales Refernzlabor für Rotaviren, und dort wird mit moderner molekularer Technologie (PCR = Polymerase-Kettenreaktion) diagnostiziert. Leider benötigt man dafür teilweise sehr teure Substanzen wie die Enzyme Reverse Transkriptase und Taq-Polymerase. Hier konnte GEFEK  helfend eingreifen, denn wir haben Verfahren zur Darstellung beider Enzyme entwickelt, die mit geringem technischen Aufwand und mit wenig Geld auskommen. Ein Tag Arbeit für eine einzige Person genügt, um mehr als den Jahresbedarf an Taq-Polmerase oder Reverser Transkriptase für ein großes diagnostisches Labor zu produzieren. Wir haben im Herbst dieses Jahres die Herstellung beider Enzyme in dem nationalen Referenzlabor etabliert, so dass dort jetzt weit größere Zahlen von Analysen durchführbar sind.

Als weiteres Projekt ist die Entwicklung eines einfachen immunologischen Tests in Arbeit, der den Nachweis einer Rotavirus-Infektion unter einfachsten Bedingungen erlauben wird. Der Test ist überall dort nötig, wo kein geeignetes Labor zur Durchführung molekularer Diagnosemethoden zur Verfügung steht. Das trifft für die meisten Gesundheits-einrichtungen im Land zu.

 

c)  Diagnose der Leishmaniose

Eine der gefürchtetsten Krankheiten im Land ist die mucocutane Leishmaniose. Diese hier so gut wie unbekannte Krankheit ist im bolivianischen Tiefland und in den von Osten her ansteigenden Anden-Abhängen, den Yungas, stellenweise recht häufig. Die Krankheit wird durch Sandmücken übertragen und kann einige Jahre nach der Infektion zu schrecklichen Entstellungen des Gesichts führen. Es gibt mindestens sieben Leishmania-Arten in Lateinamerika, die genaue Zahl wird noch ermittelt. Gemeinsam bei allen Arten ist, dass um die Einstichstelle der Sandmücke herum eine Hautwunde entsteht, die sich ausbreitet und lange Zeit nicht abheilt (cutane Leishmaniose). Erst nach mehreren Monaten verheilt die Wunde spontan, meist unter Zurücklassung einer Narbe. Alle Leishmania-Arten führt zunächt zu diesem Krankheitsbild, aber bei zwei Arten treten mehrere Monate später massive Folgeschäden auf, die unbehandelt entweder direkt tödlich verlaufen (viszerale Leishmaniose), oder die entsetzliche Wunden im Gesicht verursachen (siehe Bild), welche unbehandelt letztlich ebenfalls zum Tod durch Sekundärinfektionen führen.

Wenn rechtzeitig erkannt wird, dass es sich bei der Infektion um eine der beiden gefährlichen Arten der Leishmaniose handelt, kann der Ausbruch der Krankeit medikamentös verhindert werden. Allerdings stammen die verfügbaren Medikament noch aus der Alchimistenküche vom Anfang des letzten Jahrhunderts – es handelt sich um verschiedene Antimon-Präparate – die für mehrere Wochen verabreicht werden müssen. Sie führen zu heftigen Nebeneffekten, unter anderem zu erheblichen Schmerzen während und nach der Verabreichung der Substanzen durch Injektion. Die Menschen lassen sich daher nur therapieren, wenn sie sicher sind, dass es sich um die Infektion mit einer der bösartigen Formen der Leishmaniose handelt.

GEFEK arbeitet seit einiger Zeit an zwei Methoden zur Differenzierung der Leishmania-Erreger im infizierten Patient. Die eine Methode unterscheidet die Art der Parasiten mithilfe der oben schon erwähnten Polymerase-Kettenreaktion. Allerdings ist diese Methode an ein apparativ gut ausgerüstetes Labor gebunden, was in den Endemiegebieten für Leishmaniose eher nicht anzutreffen ist. Daher arbeiten wir, analog zur Vorgehensweise bei der Chagaskrankheit und den Rotaviren, an einem zweiten, immunologischen Verfahren, bei dem spezifische Antikörper gegen die Erreger im Blut festgestellt werden. Im Idealfall genügt dann ein Tropfen Blut aus der Fingerbeere, um die Art des Erregers mit einem Teststreifen in wenigen Minuten ohne Verwendung jedweder Apparaturen zu bestimmen. Die Fertigstellung dieses Verfahrens ist bislang noch dadurch verzögert, dass wissenschaftlich noch nicht ganz feststeht, wieviele Arten von Leishmania-Parasiten tatsächlich in der Neuen Welt auftreten, und ob die beiden potentiell tödlich verlaufenden Formen der Krankheit wirklich nur durch zwei spezifische Arten ausgelöst werden. Diese Fragen sollten allerdings in absehbarer Zeit gelöst werden. Das wird dann erlauben, klar definierte Blut- oder Serumproben von Patienten zu erhalten, mit denen die Spezifität unseres Tests nachgewiesen werden kann.

 

d)  Wissenschaftliches Know-How zur eigenen Produktion von Diagnostika

Neben der Entwicklung und Testung neuer Diagnoseverfahren haben wir in La Paz wiederholt Seminare und Praktika veranstaltet, zuletzt einen einwöchigen Kurs mit Studenten und interessierten Wissenschaftlern zur Durchführung molekularer Diagnoseverfahren. Besonderes Interesse bestand dabei nicht so sehr an der praktischen Durchführung der Experimente, sondern vielmehr an der Vorführung der einzelnen Computerprogramme, die zum Design solcher molekularer Diagnoseverfahren herangezogen werden müssen. Die genetische Information nahezu sämtlicher Krankheitserreger ist heute für jedermann im Internet frei zugänglich. Aber man muß das Know-How besitzen, wie man mit dieser Information umzugehen hat. Dass diese Computerprogramme im Zentrum des Interesses der Kursteilnehmer stand, ist nicht nur ein Hoffnungsschimmer, sondern der Beweis dafür, dass die Leute aufgewacht sind und ihre Probleme mit eigenen Händen – und eigenem Gehirn – anzugehen bereit sind. Etwas Besseres kann man sich als Pädagoge kaum wünschen. Es zeigt klar auf, dass unser Ansatz, Hilfe zur Selbsthilfe, auf einen fruchtbaren Boden gefallen ist. Es ist sicher nicht allein unser Verdienst, aber wir haben mit unserer Arbeit in den letzten Jahren einen guten Beitrag dazu geleistet.

 

Mongolei

Seit mehreren Jahren kooperieren Mitglieder von GEFEK mit Medizinern der Health Science University of Mongolia in der Hauptstadt Ulanbaataar. Langfristiges Ziel der gemeinsamen Anstrengungen ist die landesweite Erfassung der wichtigsten Krankheitserreger, um dringend notwendige Maßnahmen zur Einschränkung der vielen weit verbreiteter Infektionskrankheiten gezielt in Angriff nehmen zu können. Im Rahmen dieser Kooperation wurde mit Hilfe privater Spenden ein Labor in Ulaanbaatar eingerichtet, das geeignet ist, neuere diagnostische Verfahren mit molekularen Methoden durchzuführen. Mitglieder von GEFEK hielten sich wiederholt dort auf, um Geräte zu installieren und die Technologie zu vermitteln. Bald konnten in diesem Labor alle Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose, Brucellose, mehrere respiratorische Krankheitserreger und verschiedene Durchfallserkrankungen diagnostiziert werden. Die Verfahren waren alle so ausgelegt, dass sie unter den technisch und finanziell eingeschränkten Bedingungen durchführbar waren. Die Weiterführung des Labors wurde für einige Zeit auf Eis gelegt, um dem Laborleiter zu ermöglichen, in Deutschland eine Doktorarbeit anzufertigen und im Anschluss vorübergehend eine Stelle in einer Diagnose-Firma in Singapore anzunehmen, um neue Methoden und die Voraussetzungen zur Umsetzung neuer Diagnose-Verfahren auf dem Markt kennenzulernen. Seit dem Sommer 2013 ist er zurück in Ulaanbaatar und hat mit unserer Hilfe das Labor neu zum Laufen gebracht. Um den Umgang moderner molekularer Diagnoseverfahren auch für Ärzte und Kliniken in der Mongolei möglich zu machen, werden die benötigten Substanzen in vorgefertigten Test-Kits so einfach und kompakt vorgegeben, dass nur wenige Schritte nötig sind und Fehler durch die Benutzer weitestgehend ausgeschlossen werden können. Dazu wurden neue Verfahren entwickelt, mit denen die komplexen Substanzmischungen in vorgefertigter Form stabil über längere Zeiträume gelagert werden können. Im Prinzip geht die Pharmaindustrie ähnlich vor, hält ihre Verfahren aber streng geheim und verkauft die Test-Kits zu exorbitanten Preisen, so dass ihre Anwendung nur für zahlungskräftige Patienten möglich ist. Um das Labor zu finanzieren, werden auch unsere Test-Kits verkauft, aber zu einem Bruchteil der Preise der Pharmaindustrie. Dadurch haben unsere Methoden inzwischen nicht nur viele Kliniken in Ulaanbaatar erreicht, sondern viele Schlüsselsubstanzen werden auch von Forschergruppen an der Universität eingesetzt. Der mongolische Staat unterstützt unsere Arbeit durch ein Programm, das die Eigenherstellung dringend benötigter Produkte fördert, die sonst nur für teures Geld aus dem Ausland importiert werden können.


Panama

Im Juli 2006 wurde an der Universidad Autonóma de Chiriquí in David, Panama, ein einwöchiger Kurs über molekulare Diagnoseverfahren durchgeführt. Etwa 20 Studenten und drei Professoren nahmen daran teil. Obwohl Panama zu den etwas reicheren mittelamerikanischen Staaten zählt, ist die allgemeine medizinische Versorgung - mit Ausnahme von Panama City - nur sehr schwach entwickelt, und vor allem dem indianischen Teil der Bevölkerung geht es gesundheitlich in keiner Weise besser als in den übrigen Ländern Mittel- und Südamerikas. Auch hier kursiert eine Vielzahl von Infektionskrankheiten, die weder ausreichend diagnostiziert noch adäquat therapiert werden.

Die Ausstattung mit notwendigen Geräten und Chemikalien war trotz vorheriger genauer Absprache grenzwertig. So musste – wie meist in Entwicklungsländern – kräftig improvisiert werden. Dennoch war das Praktikum ein durchschlagender Erfolg und alle Teilnehmer waren am Ende begeistert. Für uns als Organisatoren war es eine Freude zu sehen, mit welcher Hingabe die Teilnehmer jede noch so kleine praktische Tätigkeit aufnahmen. Es war für sie ein Erlebnis, einmal etwas mit den eigenen Händen realisieren zu können, was sie sonst nur aus Lehrbüchern kannten. Der von den Kursteilnehmern selbst hergestellte Test zum Nachweis verschiedener Geschlechtskrankheiten funktionierte einwandfrei, und als Krönung des Versuchs war eine der (anonym eingesammelten) Negativkontrollen aus dem Urin der Teilnehmer positiv für Chlamydien.

Wie zuvor schon in Bolivien erhielten wir den Eindruck, dass hier ein Potential von jungen Nachwuchswissenschaftlern besteht, die hochmotiviert sind und sowohl seitens ihrer geistigen Kapazität als auch seitens ihrer Ausbildung absolut in der Lage wären, die anstehenden Probleme des Landes in der Zukunft selbst zu lösen.